Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
darüber nachgedacht, was ich gestern sagte?“
Ich nicke langsam. „Ja, das habe ich.“
„ Und?“ Er kann es kaum erwarten und steckt zwischen Bitten und Bangen.
Also gut: Drei … Zwei … Eins …
„ Ich denke, es gibt einen Grund, warum du hier am Bord bleiben solltest.“
Er lächelt erleichtert. „Bist du dir sicher?“
Ich lege den Kopf leicht schief und schenke ihm einen langen Blick. „Bin ich.“
Er ringt mit den Worten. „Wie schön.“
Vorsichtig kommt er auf mich zu und scheint die Antwort noch nicht ganz verdaut zu haben. Schließlich rettet er sich in Sachlichkeit. „Die Details besprechen wir später. Jetzt sollten wir zur Party gehen. Ich bin gespannt, was sie sich haben einfallen lassen.“
Oh nein, so nicht. „So unbefriedigt willst du mich verlassen?“
Verdattert starrt er mich an. Ich kokettiere mit einem leicht auffordernden Blick. Er ist unentschlossen. 21 … 22 … 23 …
„ Die korrekte Antwort wäre jetzt: ‚Welch Befriedigung willst du denn noch?‘, wenn ich mich recht erinnere“, helfe ich ihm auf die Sprünge. Er sieht mich immer noch verdattert an.
„ Das“, er benetzt sich die Lippen – ein ungemein sinnlicher Anblick, wenn man es genauer betrachtet. „Das ist Shakespeare, oder?“
Ich nicke. „Gut erkannt.“
Er kommt näher. „Was geht in deinem Kopf vor?“ Der Ausdruck seiner Augen ist schwer zu deuten.
Wieder lege ich den Kopf leicht schief und sehe ihn von unten heraus gerade an. „Da sind so Stimmen in meinem Hinterkopf, die sagen mir in der Regel, was ich tun und was ich lassen soll.“
Aufmerksam sieht er mich an „Und was sagen sie dir jetzt?“
Wahrheitsgemäß antworte ich ihm: „Ich weiß nicht – ich höre sie nicht.“
Er kommt näher.
„ Ah, ja, jetzt höre ich sie.“
Er kommt noch näher und seine Wärme ist nun zum Greifen nahe. „Was sagen sie denn?“
„ Es sind zwei Stimmen darin. Eine sehr laute und eine ganz leise.“
„ Was sagen sie?“, flüstert er beinahe in mein Haar.
Ich tue so, als hörte ich genauer hin. „Sie sind sich uneinig.“
„ Uneinig?“ Er ist noch näher und wir sind nur noch eine knappe Handbreit voneinander entfernt. „Was sagt die leisere?“ Es sind tatsächlich zwei entgegengesetzte Triebe in mir, die miteinander um die Vorherrschaft ringen: Angst und Sehnsucht.
Ihn ansehend flüstere ich zurück. „Höre auf, bevor es zu spät ist.“
Etwas zuckt in seinem Gesicht. Mit sanfter Stimme und aufleuchtenden Augen steht er nun direkt vor mir. Die Spitze meines Kleides berührt das Revers seines Gehrocks.
„ Und was sagt die laute?“
Ich halte inne, meine Lieder flattern plötzlich und mir wird ganz flau in den Knien und in der Magengegend. „Warum braucht er so lange?“
Er schließt die Augen, umfasst mich an der Taille und küsst mich. Erst vorsichtig, dann immer leidenschaftlicher. Ich lasse es geschehen und schnell knicken mir die Knie ein. Er hält mich jedoch fest und so verharren wir eine Weile in stummer Umarmung – einzig uns küssend. Der Stoff unserer Gewänder raschelt dabei wie das Wispern kleiner Stimmen der Glückseligkeit.
Plötzlich ist alles einfach und einfach alles richtig. Als er von mir ablässt und auch ich die Augen wieder öffne, ist das Erste, was mir auffällt, dass kein Lippenstift an ihm klebt. Wunderbar, er ist so kussecht, wie es die Werbung versprochen hat. Was man nicht alles für komische Gedanken hat.
„ Was ist mit Fay?“, frage ich leicht benommen. Er schiebt mich ein Stück von sich fort und beraubt mich so seiner Wärme. Moment mal, so war das aber nicht abgemacht.
„ Fay und ich sind nur Freunde, Christa.“
„ Christina.“
„ Wie bitte?“ Er sieht mich irritiert an.
„ Mein Name ist Christina, nicht Christa. Christa ist mein Inkognito.“
Lange sieht er mich an und ein kleines Lächeln spielt um seine Lippen. „Ich verstehe.“
Gemächlich schreiten wir Arm in Arm zu den hinteren Fahrstühlen, die nahe bei Bens Kabine liegen. Davor stehen immer noch die Wachmänner auf ihrem Posten.
„ Wie geht es Ben?“, erkundige ich mich vorsichtig.
„ Den Umständen entsprechend gut“, erklärt Alex und bleibt stehen.
„ Hat er mich noch einmal erwähnt?“
Merkwürdig sieht Alex mich an. „Nein, das hat er nicht.“ Oh je, dünnes Eis.
„ Ist das gut oder schlecht für mich?“ Jetzt bloß die Nerven behalten.
„ Ich würde sagen, es ist gut für dich. Aber schon irgendwie merkwürdig.“
Ich versuche ihn ganz
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