Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
mustern.
„ Was glaubt er denn, wer ich bin?“, frage ich und sie antwortet prompt.
„ Oh, jemand von der Silvesterparty, den er nur flüchtig gesehen hat.“
Ich konzentriere mich auf Fays geistige Strukturen und finde zum Glück schnell das, was ich suche. „Aber genauso ist es doch“, gebe ich ihr mit Nachdruck ein. „Wir kennen uns über Alex, der mich gebeten hat ihm bei der Suche nach Sharroll zu helfen. Er hat sonst niemanden dazu überreden können. Erinnern Sie sich?“
Langsam nickt sie und ich kann ein, zwei Erinnerungen sorgfältig isolieren, bevor ich sie ganz lösche.
„ Erinnern Sie sich auch, dass Sie Ihr Interesse an Alex ganz abgetreten haben?“
Sie sieht mich merkwürdig verklärt an. „Wir sind nur Freunde.“ Braves Mädchen.
„ Ganz genau, so sollte es auch sein. Und als Freunde sind wir heute zur Party gegangen, richtig?“
Sie nickt und ich entlasse sie aus meinem Griff. Oben rauscht immer noch das Wasser. Puh – noch einmal Glück gehabt.
Ich schlage einen vertrauten Ton an. „Waren Sie und Alex denn schon mal ein Paar?“
„ Nur einmal. Wir waren noch sehr jung und das Leben war noch nicht so kompliziert.“ Ah ja. Skeptisch sehe ich sie an. „Nein, ganz ehrlich. Wir waren beide jung und es hat sich ergeben, dass sich danach nichts mehr ergeben hat.“ Sie hebt in einer Geste völliger Resignation die Arme und lässt sie dann wieder fallen.
„ Es ist kompliziert“, beende ich den Satz für sie.
Sie nickt.
„ Er ist ein feiner Kerl, wissen Sie. Treu und fürsorglich. Der beste Freund, den man sich wünschen kann, und ein begnadeter Anwalt. Er hat eine Frau verdient, die ihn liebt und respektiert.“ Moment mal, heißt das, dass ich das nicht kann? Ich rufe mich zur Ordnung, bevor ich ihren Geist allein für diese Kleinigkeit in mikroskopisch kleine Scheiben schneide. Immer lächeln und nicken. „Außerdem möchte er gerne Vater werden, wenn ich das richtig verstanden habe.“ Vater? Tja, das kann ich ihm nicht erfüllen.
Ich hake nach: „Sind Sie sicher? Ich meine, das passt so gar nicht zu ihm.“
Sie wird rot. „Naja, das ist das, was ich denke.“ Ach so.
„ Aber Sie haben ihn nicht direkt gefragt?“
Sie wird noch röter, sofern dies überhaupt möglich ist. „Nein.“
Ich nicke. Was will sie mir eigentlich sagen?
„ Er hat so viel durchgemacht in seinem Leben, also behandeln Sie ihn bitte gut.“ Es schwingt ein bisschen etwas von „Ich kann es nicht, auch wenn ich gerne täte“ mit.
Ich lächele sie freundlich an. „Ich habe nichts Gegenteiliges vor.“
„ Gut, gut.“
Jetzt fixiere ich sie. „Aber meinen Sie nicht, dass er mir das erzählen sollte?“
Und da ist sie wieder, die gesunde Gesichtsfarbe. „Naja, ich dachte, so von Frau zu Frau …“, stottert sie und blickt dann weg. Wieder schweigen wir einvernehmlich, dann räuspert sie sich erneut.
„ Darf ich Sie etwas Persönliches fragen?“
Ich sammele mich. „Ja, das dürfen Sie.“
Sie nickt, wirft einen Blick auf die nebenan liegende Suite und ich kann mir sehr gut vorstellen, was sie von mir wissen will.
„ Gab es da etwas zwischen meinem Bruder und Ihnen? Ich meine, zu Silvester.“
„ Nein, Fay. Es gab nichts zwischen uns.“
Sie schlägt die Augen nieder. „Da bin ich aber erleichtert.“ Was soll ich dazu noch sagen.
„ Mein Bruder ist … kompliziert.“ Sie benutzt das Wort ziemlich häufig.
„ Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, Fay. Aber kompliziert ist nicht das Wort, das ich wählen würde.“
Sie nickt. „Er war nicht immer so. Ich glaube, er hatte zu früh zu viele Möglichkeiten an Geld heranzukommen. Das hat ihn verdorben.“ Eine schöne Theorie.
Als ich nichts dazu sage, sammelt sie sich und ist wieder das unbeschwerte Wesen, welches ich kennen gelernt habe. „Mit Alex an Ihrer Seite werden Sie diese Probleme jedenfalls nicht haben.“
„ Welche Probleme genau meinen Sie?“
Wieder wird sie leicht rosa im Gesicht. „Probleme mit seinen, wie soll ich sagen, Vorlieben.“
„ Wieso kommt eigentlich jeder auf die Idee, mit mir über Sex sprechen zu müssen?“, platzt es aus mir heraus und Fay sieht peinlich berührt zu Boden.
„ Ich dachte nur, weil Sie auf der Party meines Bruders waren …“
Ich sehe sie nur tadelnd an und sie verstummt. Braves Mädchen.
„ Es tut mir leid, bitte entschuldigen Sie“, fügt sie kleinlaut hinzu und ich beruhige mich langsam wieder. Auf der anderen Seite, wenn sich heute noch einmal jemand bei
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