Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
dass hier etwas so ganz und gar nicht stimmt.
„ Sollten wir nicht Nicole informieren?“, erkundigt er sich. Ach ja, die ist ja auch noch da. Ich hatte sie ganz vergessen.
„ Ich bin mir nicht ganz sicher.“ Ich fühle mich wie eine Ertrinkende und schwanke einen Moment bedrohlich.
Bestürzt stützt er mich. „Was ist mit dir? Geht es dir schlechter? Soll ich …?“ Er spricht den Satz nicht aus, doch ich weiß, was er meint.
„ Nicht nötig, danke.“ Selbst wenn, in dieser Stimmung werde ich nichts von ihm nehmen, das kann er vergessen. Ich kann nämlich nicht garantieren, dass ich dann wieder damit aufhöre.
„ Was soll ich tun?“, erkundigt er sich.
Ich treffe eine Entscheidung. „Ich brauche frische Luft und dann will ich nach Sharroll sehen.“ Irgendetwas zieht mich genau in diesem Moment in die Krankenstation.
Er nimmt sich zusammen, das kann ich sehen. „Ich lasse dich jetzt nicht allein.“
„ Gut, dann lass uns gehen“, komme ich ihm entgegen und er nickt. Schweigend machen wir uns auf den Weg hinunter zur Krankenstation.
Je näher wir der Eingangstür kommen, desto mulmiger fühle ich mich. Dahinter ist etwas passiert. Ich weiß nur nicht genau, was. Aber es wird mir nicht gefallen, so viel kann ich schon sagen.
„ Morgan wird sicher nicht begeistert sein“, murmele ich und Alex sieht mich irritiert an.
„ Wovon sprichst Du?“
Ich bleibe kurz stehen. „Was wir dahinter finden werden.“
Er mustert mich. „Bist du sicher?“
„ Bin ich.“
Er nickt und scheint sich innerlich gegen etwas zu wappnen, von dem er selbst noch nicht so genau weiß, was es ist.
Vor der Tür angekommen sieht er mich noch einmal prüfend an. „Bereit?“
Ich nicke. „Irgendjemand muss es ja tun.“
Alex öffnet die Tür und uns erwartet eine weitere Überraschung: Die Krankenstation liegt leer und verlassen vor uns. Weder am Empfang noch im Schwesternzimmer ist jemand zu finden. Das ist so merkwürdig, dass wir einen Moment lang beide nicht weiter wissen.
„ Hattest du damit gerechnet?“
Ich schüttele den Kopf.
Vorsichtig gehen wir den Gang entlang und spähen in jedes offene Zimmer. Mein ungutes Gefühl nimmt zu und mit schnellen Schritten zieht es mich an Sharrolls Tür.
Sie ist nicht da, dafür liegt ein älterer Mann schwer atmend auf dem Boden. Er hat eine dicke Beule am Hinterkopf, die sich bereits dunkel einfärbt.
„ Dr. Morten!“, entfährt es Alex und wir sind schnell bei ihm. Vorsichtig drehen wir ihn um und er stöhnt leise. An seiner weißen Kleidung ist ein Namensschild befestigt, das ihn als den Gesuchten ausweist. Vorsichtig richten wir seinen Oberkörper auf, wobei ich seinen Rücken stütze und Alex ihn anspricht.
„ Dr. Morten? Was ist passiert?“
Dieser stöhnt nur leise und öffnet kurz die Augen. Sein Blick ist trüb und er bringt nur zusammenhangslose Brocken über die Lippen. Es kristallisiert sich jedoch heraus, dass zwei Männer die Station besucht und nach Sharroll gefragt haben. Sie wollten sie zum Abendessen abholen. Als der Doktor das untersagte, haben die Männer ihn angegriffen und niedergeschlagen.
Alex und ich werfen uns vielsagende Blicke zu. Wer würde denn ein unschuldiges Mädchen entführen wollen und vor allem so kurz bevor wir anlegen?
„ Vielleicht ist es ja ein Missverständnis“, gebe ich zu bedenken, doch Alex winkt ab.
„ Warum haben sie ihn dann niedergeschlagen?“
Nun, darauf habe ich keine Antwort. Gemeinsam bringen wir den Doktor in ein leer stehendes Zimmer und legen ihn dort ins Bett.
Anschließend macht sich Alex auf die Suche nach den Schwestern und findet zwei eingeschlossen in einer Abstellkammer. Nachdem er sie befreit hat, kümmert sich die eine sofort um den Arzt, während die andere den Sicherheitsdienst ruft.
Alex nimmt mich kurz zur Seite. „Kannst du sie nicht aufspüren?“, erkundigt er sich beinahe flehend.
„ Wie soll ich das denn tun?“, gebe ich zurück.
„ Ich weiß es nicht. Vielleicht kannst du sie riechen?“ Er sieht mich flehend an.
„ So funktioniert das nicht, Alex. Ich bin kein Spürhund.“
„ Das weiß ich, aber vielleicht könntest du … irgendetwas … tun?“
Ich seufze, soviel zum Thema netter letzter Abend. „Also schön.“
Er umarmt mich stürmisch und ich mache mich schnell von ihm los. „Ich muss in ihr Zimmer.“
Mit schnellen Schritten führt er mich hin und ich schließe die Tür von innen. Ihr Bett ist nicht mehr warm, aber auch noch nicht ganz kalt.
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