Nachte des Sturms
bezwingen. »Frag sie doch, wo sie letzte Nacht verbracht hat.«
Die Teetasse fiel krachend auf den Boden, als Mick sie versehentlich über den Rand der Arbeitsplatte schob. Voller Scham und Elend schloss Brenna die Augen.
»Ich gebe zu, dass ich bei Shawn war. Es war nicht das erste Mal und ich war jedes Mal aus freien Stücken dort. Tut mir Leid, dass ich dir damit wehgetan habe.« Sie stand unsicher auf. »Aber dass ich ihn gern habe, macht mich noch nicht zu einer Hure. Und du weißt genau, wenn du mich zwingst, mich zwischen euch zu entscheiden, breche ich die Beziehung zu ihm ab.«
Sie brauchte ihren ganzen Mut, um sich umzudrehen und ihre Eltern anzusehen. Das Verständnis in den Augen ihrer Mutter hätte sie vielleicht getröstet, doch ihr Vater
schien völlig entsetzt. »Das alles tut mir furchtbar Leid. Es tut mir Leid, dass ich euch gegenüber nicht ganz ehrlich war. Aber jetzt kann ich nicht mehr darüber reden. Ich kann einfach nicht.«
Sie eilte aus der Küche und hätte sicher nicht auf Patty und Alice Mae geachtet, hätte Patty sie nicht entschieden festgehalten. »Nimm es nicht so tragisch, meine Liebe«, murmelte sie und gab ihrer Schwester einen Kuss.
Dadurch brachen die Tränen, die Brenna in der Kehle brannten, endlich aus, und blind stürzte sie die Treppe in Richtung ihres Schlafzimmers hinauf.
In der Küche wandte sich Mollie nun an Mary Kate. Beide Töchter taten ihr unendlich Leid, doch es wäre besser, wenn sie beiden getrennt den Kopf zurechtrückte.
Das Einzige, was man in der Küche hörte, war jämmerliches leises Schluchzen. Wortlos setzte sich Mollie auf den Stuhl, von dem Brenna zuvor aufgesprungen war.
Keiner der beiden Frauen fiel es auf, als Mick den Raum verließ.
»Ich weiß, wie es ist, wenn man derartige Gefühle für einen Menschen hegt«, begann Mollie mit leiser Stimme. »Wenn man einen Menschen in einem strahlend hellen Licht sieht, als denjenigen, der die Antworten auf alle Fragen weiß und all die Löcher im eigenen Leben füllt. Das ist immer gleich, egal ob man zwanzig oder vierzig ist. Ich hege keinen Zweifel an dem, was du empfindest, Katie.«
»Ich liebe ihn.« Ihre Stimme klang immer noch trotzig, doch gleichzeitig rann ihr eine einzelne Träne über das Gesicht. »Und das hat sie genau gewusst.«
»Es ist hart, solche Gefühle für einen Menschen zu haben, der sie nicht erwidert.«
»Vielleicht hätte er es ja irgendwann getan, aber sie musste sich ihm ja derart an den Hals werfen.«
»Katie, Liebling.«
Es gab vieles, was sie hätte sagen können. Der Mann ist zu alt für dich, das, was du empfindest, ist nichts als jugendliche Schwärmerei, es wird wieder vergehen, du wirst dich noch mindestens ein halbes Dutzend Mal verlieben, ehe du dem Richtigen begegnest. Stattdessen nahm sie einfach Katies Hand.
»Shawn empfindet etwas für Brenna«, erklärte sie ruhig. »Und zwar schon seit langer Zeit. Ebenso wie sie für ihn. Keiner der beiden gehört zu der Art Menschen, die es darauf anlegen, andere zu verletzen. Das weißt du ganz genau.«
»Ich war ihnen vollkommen egal.«
»Sie hatten einfach nur Augen füreinander, und da haben sie dich eine Zeit lang ganz einfach übersehen.«
Es machte alles nur noch schlimmer, dass ihre Mutter ihr mit einem solchen Mitgefühl begegnete und dadurch ihr Empfinden, sich zur Närrin gemacht zu haben, noch verstärkte. »So, wie du sprichst, klingt es, als wäre es völlig in Ordnung, dass die beiden einfach miteinander schlafen.«
Sie befanden sich auf einem höchst gefährlichen Terrain, also sagte Mollie: »Das habe ich damit nicht gemeint. Das ist eine Sache, die Brenna mit sich allein ausmachen muss. Es steht weder dir noch mir zu, sie deshalb zu verurteilen. Hier in diesem Haus wirft niemand mit Steinen nach dem anderen.«
Inzwischen rann ein wahrer Tränenstrom über Mary Kates Wangen, und sie starrte ihre Mutter böse an. »Dann bist du in dieser Sache also auf ihrer Seite.«
»Nein. Ich habe im Moment zwei verletzte Töchter, die ich gleichermaßen liebe. Falls irgendjemand sich auf die Seite eines anderen gestellt hat, dann Brenna, indem sie gesagt hat, dass sie sich, wenn du sie vor die Wahl stellst, gegen
ihn entscheidet, obwohl du gar nicht sicher wissen kannst, wie tief ihre Gefühle für Shawn tatsächlich sind. Ist es das, was du willst, Mary Kate? Würde dadurch dein Schmerz besänftigt und dein Stolz wiederhergestellt?«
Der innere Aufruhr drohte sie zu überwältigen, und Mary Kate legte den
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