Nachte des Sturms
befriedigte.
Er nahm sich vor, Brenna in den nächsten Tagen oder Wochen sorgsam aus dem Weg zu gehen. Am besten suchte
er nicht jedes Mal, wenn er aus der Küche in den Pub kam, nach ihrer grauenhaften Kappe oder horchte auf ihre Stimme.
Trotzdem sah er sich weiter nach ihr um, trotzdem spitzte er weiterhin die Ohren. Aber an diesem Sonntagabend erschien sie nicht im Pub.
Er machte seine Arbeit, und sämtliche Essensgäste gingen mit vollen Bäuchen gut gelaunt nach Hause. Nur er selbst machte sich, nachdem er in der Küche für Ordnung gesorgt hatte, mit trotz des guten Essens seltsam leerem Magen und alles andere als zufrieden auf den Weg zurück zu seinem Cottage.
Er versuchte, sich wieder in seinen Melodien zu verlieren und verbrachte beinahe zwei Stunden am Klavier. Aber irgendwie klangen die Noten säuerlich, irgendwie brachte er nur Missklänge hervor.
Einmal, als er die Finger über die Tasten gleiten ließ und den Kopf schüttelte, weil ihm die Akkorde nicht gefielen, spürte er eine Veränderung der Atmosphäre. Vernahm eine beinahe unmerkliche Bewegung, hörte ein beinahe unhörbares Geräusch. Doch als er den Kopf hob, sah er nur das kleine Wohnzimmer und die offene Tür zum Flur.
»Ich weiß, dass du hier bist«, sagte er leise und hob erwartungsvoll den Kopf. Doch niemand sprach ein Wort. »Was willst du mir sagen?«
Als sich die Stille in die Länge zog, erhob er sich von seinem Platz, warf Asche auf das Feuer im Kamin und lauschte auf das Flüstern des winterlichen Windes. Obwohl er ganz sicher zu gereizt war, um einschlafen zu können, ging er nach oben und legte sich ins Bett.
Beinahe sofort, nachdem sein Kopf das Kissen berührte, versank er in Träumen von einer liebreizenden Frau mit langen, goldenen Haaren, die im Licht des Mondes im
Garten seines Cottages stand. Mit rauschenden Flügelschlägen näherte sich ihr ein großes weißes Pferd und traf schließlich mit seinen Hufen auf das Gras. Der Mann auf dem Rücken des Tieres hatte nur Augen für die Frau. Als er abstieg, stoben aus der glitzernden Silbertasche, die er trug, kleine bläulich weiße Funken.
Er legte ihr Perlen vor die Füße, weiß und rein wie der Mond. Aber ohne die Perlen auch nur eines Blickes zu würdigen, wandte sie sich von ihm ab. Ihre hellen Haare waren plötzlich feuerrot und ihre zuvor so sanften Augen blitzten wie grüne Smaragde. Es war Brenna, die er an seine Brust zog, Brenna, die er innig umarmte.
Brenna, die er im Schlaf – jeder Logik und jedes Funken Verstandes beraubt – leidenschaftlich küsste.
6
G ib mir doch bitte mal die Hüterin des Gleichgewichts, mein Schatz.«
Brenna nahm die Wasserwaage – ihr Vater hatte fast für alle seine Werkzeuge liebevolle Kosenamen –, ging damit durch das mit verkleckster Folie ausgelegte Zimmer und hielt sie ihm hin.
Allmählich nahm der Raum Gestalt an, und inzwischen war er für Brenna viel mehr das Kinderzimmer als Shawns altes Zimmer. Sicher gab es Menschen, die nicht in der Lage waren, sich inmitten des Durcheinanders von Werkzeugen und Sägeböcken, nackten Wänden und Zentimetern dicken Holzstaubs vorzustellen, was am Ende der Arbeit herauskäme. Sie jedoch liebte das Chaos eines laufenden Projektes ebenso wie sein strahlendes Ergebnis.
Sie liebte die Gerüche, die Geräusche und den guten, gesunden Schweiß, den einem das Schwingen eines Hammers oder das Schleppen schwerer Bretter über die Stirn rinnen ließ. Als sie jetzt einen Schritt zurücktrat, um zuzusehen, wie ihr Vater die Wasserwaage an ein Brett des zukünftigen Regals hielt, dachte sie daran, wie sehr sie all die kleinen Arbeitsschritte mochte. Das Abmessen, das Schneiden, Hämmern, Leimen und nochmalige Messen, bis das, was man gebaut hatte, ein perfekter Spiegel der ursprünglichen Idee war.
»Das Ding ist sein Geld wert.« Mick lehnte die Wasserwaage zufrieden an die Wand. Ohne es zu bemerken,
stemmten sie beide die Hände in die Hüften, spreizten bequem die Beine und sahen sich grinsend an.
»Und da es von den O’Tooles gebaut wurde, wird es die nächsten Jahrhunderte problemlos überdauern.«
»Genau.« Er schlug ihr fröhlich auf die Schulter. »Ich denke, für heute Morgen haben wir genug getan. Wie wäre es, wenn wir runter in den Pub zum Mittagessen gehen und das Ding dann heute Nachmittag fertig stellen würden?«
»Oh, ich habe keinen Hunger.« Ohne ihrem Vater ins Gesicht zu blicken, trat Brenna näher an die Wand, um sich die Zierleisten genauer anzusehen, von
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