Nachte des Sturms
haben wirklich Feuer.« Er blickte in Richtung des kleinen Podestes und bewunderte die Weise, wie der Fiedler seinen langen Bogen schwang. »Bist du mit deiner Familie hier?«
Mary Kates Selbstbewusstsein schrumpfte. Warum sah er sie immer als eins der Kinder der O’Tooles? Inzwischen war sie eine erwachsene Frau. »Nein, ich bin allein hier.« Dies war keine echte Lüge, beruhigte sie ihr Gewissen. Zwar war sie mit ihren Eltern und Alice Mae hereingekommen, hatte sich jedoch sofort nach Betreten des Pubs von ihnen entfernt.
»Sie spielen wirklich gut«, murmelte er und vergaß Mary Kate über seiner Begeisterung für die Musik. »Schnell, geschickt und fröhlich. Kein Wunder, dass sie inzwischen recht bekannt sind. Der Tenor hat die mit Abstand stärkste Stimme, aber trotzdem versteht er es, sich nicht ständig in den Vordergrund zu drängen.«
Er fragte sich, was die Musiker aus einer seiner eigenen Balladen machen würden, und kehrte erst, als Mary Kate
an seinem Ärmel zupfte, in die Gegenwart zurück. »Du könntest ebenfalls berühmt werden.« Sie bedachte ihn mit einem träumerischen Blick. »Viel berühmter als diese Typen hier.«
Um weder etwas antworten noch allzu gründlich über diese Möglichkeit nachdenken zu müssen, gab er ihr ein Küsschen auf die Wange. »Mary Kate, du bist wirklich ein Schatz. Aber jetzt muss ich leider wieder in die Küche.«
Kaum hatten sich die Türen hinter ihm geschlossen, als sie sich auch schon wieder öffneten und Brenna wie eine Furie hereingeschossen kam. »Ich habe dir schon mal gesagt, du sollst dich von meiner Schwester fern halten.«
»Was?«
Sie baute sich in ihrer ihm allzu bekannten kampfbereiten Pose vor ihm auf. »Habe ich nicht erst vor einer Woche hier gestanden und dir meine Position in Bezug auf dich und Mary Kate ausführlich erläutert?«
Das hatte sie eindeutig getan. Und – Shawn fuhr sich mit den Händen durch die Haare – er hatte keinen weiteren Gedanken auf das Gespräch verschwendet. »Ich habe mich nur mit ihr unterhalten, Brenna, mehr nicht. Es war genauso harmlos, als wenn ich ein Baby gekitzelt hätte.«
»Aber sie ist kein Baby mehr, und außerdem hast du sie nicht gekitzelt, sondern geküsst.«
»Oh, gütiger Himmel, genauso würde ich auch meine Mutter küssen.«
»Die Deutschen haben Hunger«, erklärte Darcy fröhlich, als sie mit einem Tablett voller leerer Teller in die Küche kam. »Sie wollen drei Portionen Eintopf und zweimal den Fisch. Man könnte meinen, sie hätten, seit sie ihr Vaterland verlassen haben, nichts mehr zwischen die Kiemen gekriegt.«
Sie stellte die Teller in die Spüle und trommelte zufrieden
mit ihren Fingern auf die mit Trinkgeld gefüllte Tasche ihrer Schürze. »Aber sie sind alles andere als geizig, und bisher hat mir nur einer von den Kerlen den Hintern getätschelt.«
Als sie Wasser in die Spüle laufen lassen wollte, holte Brenna, um sich zu beruhigen, erst einmal tief Luft. »Darcy, würde es dir etwas ausmachen, die Teller ein bisschen später zu spülen? Ich würde mich gerne kurz mit Shawn alleine unterhalten.«
Darcy blickte sich um und zog eine ihrer Brauen in die Höhe. Plötzlich konnte sie die Spannung spüren, die in dichten Wellen zwischen den beiden hin und her lief. Nun, die beiden waren niemals wirklich glücklich, wenn sie nicht miteinander stritten. Aber hier schien es um etwas … anderes zu gehen. »Ist irgendwas passiert?«
»Deine Freundin bildet sich allen Ernstes ein, ich würde mich für ihre kleine Schwester interessieren, und jetzt will sie mich warnen.« Er zerrte an der Tür des Kühlschranks und holte zwei Fischfilets heraus. Nicht jedoch, ehe er gesehen hatte, wie Brenna zusammenfuhr.
»Ich habe nie behauptet, dass du dich für sie interessierst.« Da ihre Stimme ohne den normalen Biss war, drehte sich Shawn zu ihr herum. »Aber sie interessiert sich eindeutig für dich.«
»Stimmt, auch wenn er es selbst ganz sicher niemals merken würde, scheint Mary Kate tatsächlich für den guten Shawn zu schwärmen«, bestätigte Darcy.
»Ich habe nur mit ihr geredet.« Um nicht länger den mitleidigen und zugleich angewiderten Blicken der beiden Frauen ausgeliefert zu sein, trat er eilig an den Herd und erhitzte etwas Öl in einer Pfanne. »Nächstes Mal, wenn ich sie treffe, werde ich sie einfach wegstoßen. Seid ihr dann zufrieden?«
»Du bist wirklich ein Idiot.« Darcy seufzte, tätschelte Brenna verständnisvoll den Arm und ließ die beiden Streithähne
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