Nachtengel
Erstellung von Sicherheitskopien nicht energisch genug vertreten hatte.
Roz überlegte, was sie tun könnte. Nach dem heutigen Tag fand sie es einfach nur deprimierend, an ihrem Buch zu arbeiten. Sie spielte mit dem Gedanken, jemanden anzurufen und auszugehen, aber auch das reizte sie nicht. Sie ging in die Küche und nahm die Zeitung, die sie auf den Küchentisch geworfen hatte. Nichts im Fernsehen heute Abend. Sie überlegte, ob sie ins Kino gehen sollte, und suchte halbherzig nach einem Veranstaltungskalender.
Dann beschloss sie, herumzutelefonieren, ob vielleicht irgendjemand Pläne für den Abend hatte und sie sich einklinken konnte. Lorna. Lorna war Lehrerin an der Gesamtschule des Ortes und würde Leidensgeschichten zu erzählen haben, die Roz' schlimmen Tag in die richtige Perspektive rücken könnten. Sie würde Lorna anrufen. Aber als sie zum Telefon im Flur kam, sah sie, dass der Anrufbeantworter blinkte – drei Nachrichten. Die erste war von Joanna von neun Uhr heute Früh, die sie fragte, wo sie bliebe. Die zweite war von jemandem, der auflegte, ohne etwas zu sagen, und die dritte war von ihrer Mutter. Paulas fröhliche Telefonstimme hatte ihr eine lange Nachricht hinterlassen. »… und außerdem ist es eine Ewigkeit her, seit wir miteinander gesprochen haben, Roz. Ruf mich doch mal an.« Roz seufzte. Es stimmte, sie hatte seit mehreren Wochen nicht mit ihrer Mutter gesprochen. Sie zögerte einen Moment, dann nahm sie den Hörer und wählte die Nummer.
Paula Frost war entzückt. »Roz! Das ist aber nett. Also, jetzt entschuldige dich nicht, ich weiß ja, wie viel du zu tun hast.« Sie plauderte weiter und erzählte Roz von allerhand Dingen, die sie und Robert, Roz' Stiefvater, in letzter Zeit getan hatten, was verschiedene Bekannte, Leute, die in Roz' Leben keine Rolle mehr spielten, so machten, und berichtete von ihren eigenen Aktivitäten in der Lokalpolitik. Roz revanchierte sich mit zurechtgestutzten Neuigkeiten über die Arbeit, zukünftigen Karriereplänen und einem eventuellen Besuch. Sie entspannte sich bereits, weil sie hoffte, damit davonzukommen, aber dann hörte sie einen neuen Tonfall in der Stimme ihrer Mutter.
»Also Roz, es ist wunderschön, mit dir zu reden, aber ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen.«
Roz erstarrte. »Ach ja?«
»Ach, Roz, wie du dich schon wieder anhörst!«, sagte ihre Mutter ungeduldig. »Wir haben uns seit Wochen nicht unterhalten, und wenn wir dann mal miteinander reden, dann plapperst du endlos über deine Arbeit. Und sobald du denkst, ich werde etwas zu einem anderen Thema sagen, wirst du defensiv.«
»Bin ich gar nicht.« Roz war nicht darauf vorbereitet.
»Doch, das bist du. Also hör mal zu. Letzte Woche habe ich Graham Highgrove gesehen.« Graham war der Anwalt ihrer Mutter. »Er ist besorgt wegen deiner Situation. Wegen der rechtlichen Folgen.« Paula wandte neuerdings die Taktik an, dass sie ihre eigenen Sorgen anderen in den Mund legte, um Roz dazu zu bringen, dass sie auf sie hörte. »Er meint, du solltest dich scheiden lassen. Das würde der schrecklichen finanziellen Belastung ein Ende machen. Liebling, ich weiß, dass du …«
»Nein, das weißt du nicht. Tut mir Leid, Mum, aber ich will nicht darüber sprechen.« Roz presste die Stirn gegen die Wand. Warum, warum nur musste sie alle paar Monate dieses Thema über sich ergehen lassen? Warum konnte ihre Mutter ihre Entscheidungen nicht akzeptieren?
»Was nützt es Nathan, dass du nicht loslässt?« Paulas Stimme klang vernünftig. »Es ist ja nicht so, dass …«
Es ist ja nicht so, dass du ihn besuchst. »Ich habe gesagt, dass ich nicht darüber sprechen möchte.« Roz holte tief Luft. »Hör bitte zu. Ich möchte nicht darüber sprechen.«
Sie hörte ihre Mutter seufzen. »Wir machen uns große Sorgen, Robert und ich«, sagte sie. Roz glaubte kaum, dass ihr unbeschwerter, Golf spielender Stiefvater viel darüber nachdachte. Er schien zu glauben, dass sie selbst für sich sorgen konnte.
»Ich kann daran nichts ändern«, schloss Roz das Thema ab. »Gibt es sonst noch etwas?« Sie redeten noch ein paar Minuten und versöhnten sich wieder, dann beendete Paula das Gespräch und entließ Roz in ihren ruinierten Abend. Sie ging ins Arbeitszimmer zurück und schob auf dem Tisch, den sie als Schreibtisch benutzte, die Bücher und Papiere hin und her. Der Spiegel warf ihr dunkles Abbild zurück.
Sie wollte nicht daran denken, aber es ließ ihr keine Ruhe. Paula hatte Recht. Warum
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