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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Spiel auf einer anderen Ebene – nur auf welcher? Vielleicht lieferte uns die Durchsuchung der Büros der Greekinvest eine Antwort. Das wollte ich noch abwarten.
    Vlassopoulos streckt seinen Kopf durch die halboffene Tür herein. »Wir sind soweit, wir können fahren.«
    »Was ist mit dem Schlosser?«
    »Er wartet am Eingang auf uns.«
    Wir nehmen nicht den Mirafiori, sondern einen Streifenwagen, und bringen die Strecke stumm hinter uns. Ich weiß nicht, was Vlassopoulos denkt. Vielleicht gar nichts, vielleicht möchte er mich nur nicht in meinen Gedanken unterbrechen. Ich überlege mir noch einmal, was für ein Verhältnis Koustas zu Petroulias sowie zu seiner Exfrau und ihrem jetzigen Ehemann gehabt haben könnte. Die Karamitri und ihr Mann hätten einen triftigen Grund gehabt, Koustas aus dem Weg zu räumen. Ihre Darstellung entspricht sicherlich der Wahrheit. Sie wußten, daß ich sie mit Leichtigkeit nachprüfen könnte, deshalb haben sie nicht gelogen. Sie haben Petroulias nicht auf dem Gewissen, sie kannten ihn ja gar nicht. Wie auch Petroulias die Karamitri mit Sicherheit nicht kannte. Koustas hielt sie, wie gesagt, voneinander fern und setzte sie nach Gutdünken ein. Möglich jedoch ist, daß sie nach dem Mord an Petroulias mitbekamen, welche Rolle er spielte, und die Gelegenheit ihres Lebens ergreifen wollten: Sie beseitigten Koustas, und die Greekinvest, inklusive der R. I. Hellas und sämtlicher weiterer Vermögenswerte, ging in die Hände der Karamitri über, während ihr Ehemann den Fußballverein Iason übernimmt. Selbst wenn die Schecks auftauchen sollten, könnten sie nun aus einer Position der Stärke heraus mit ihrem Besitzer verhandeln.
    »Wonach suchen wir eigentlich?« fragt mich Vlassopoulos, als wir in die Mitropoleos-Straße einbiegen.
    »Wonach wir immer suchen, wenn wir Nachforschungen anstellen, Vlassopoulos«, blaffe ich ihn an, denn er hat meinen wunderbaren Gedankengang unterbrochen. Es ist, als hätte er mich aus einem schönen Traum gerissen.
    »Suchen wir etwas Bestimmtes, meine ich?«
    »Nein. Wir nehmen, was wir kriegen, wie beim Schlußverkauf.«
    Die Büros der Greekinvest liegen in der Fokionos-Straße 18. Der Schlosser erwartet uns bereits am Eingang. Wir treten durch die geöffnete Haustür und beginnen, die Klingelschilder an den Türen durchzugehen. Zum Glück müssen wir nicht lange suchen. Auf dem Klingelschild an der linken Tür im Erdgeschoß steht Greekinvest. Der Angestellte des Schlüsseldienstes wirft einen Blick auf das Türschloß. Er braucht nicht mal eine Minute, und wir treten in ein stockdunkles Apartment, in dem alle Rolläden heruntergelassen worden sind. Vlassopoulos zieht einen davon hoch, worauf trübes Tageslicht hereinsickert und die Zweizimmerwohnung erhellt. Sie hat keinen Flur, und von der Eingangstür tritt man direkt in das eine Zimmer. Nebenan liegt die Küche, dahinter das andere Zimmer, und der Eingangstür gegenüber liegt ein kleines Bad. Im ersten Zimmer stehen ein Schreibtisch, ein Stuhl und ein dicht an die Wand gerückter Büroschrank. Ein minimalistisch eingerichteter Arbeitsraum. Auf dem Schreibtisch stehen eine elektrische Schreibmaschine und ein Telefon mit Fax. Das andere Zimmer ist leer und riecht muffig. In der Küche gibt es weder Tassen noch Gläser, nicht mal eine Kaffeemaschine. Im Badezimmer dasselbe Bild: eine einsame Rolle Toilettenpapier, keine Seife, keine Handtücher.
    »Dafür brauchen wir nicht mal eine Viertelstunde«, sagt Vlassopoulos, und Enttäuschung macht sich in mir breit.
    Auf den ersten Blick ist zu sehen, daß die Greekinvest, so wie alle Scheinfirmen, kein Personal hat. Wer immer hierherkommt, bleibt nur so lange, wie er für das Abfassen eines Briefes oder das Absenden eines Faxes benötigt. Die Schubladen des Schreibtisches sind unverschlossen. Hier gibt es nichts zu verbergen. Die oberste Schublade ist voll mit Briefpapier der Greekinvest, die zweite enthält einige Kugelschreiber und ein Farbband für die Schreibmaschine, die dritte ist leer.
    Der Büroschrank ist verschlossen, und der Schlosser macht sich daran zu schaffen. Vlassopoulos steht tatenlos in der Mitte des Zimmers herum. Der Büroschrank hat drei Fächer. Im ersten stoße ich auf drei Briefumschläge. Auf dem obersten steht R. I. Hellas geschrieben. Ich nehme ihn mit zum Schreibtisch, setze mich auf den Stuhl und öffne den Umschlag. Vlassopoulos beginnt nun seinerseits, die weiteren Fächer zu durchsuchen, um seine Arbeitszeit sinnvoll

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