Nachtfalter
Scheck bei mir behalten‹, sagte er zu uns.«
»Und Sie haben das Angebot angenommen?«
»Was hätte ich sonst tun sollen? In der Not frißt der Teufel Fliegen.«
»Warum haben Sie Ihr Schallplattenlabel nicht verkauft, um die Summe aufzutreiben?« frage ich Karamitris.
»Machen Sie Witze, Herr Kommissar? Das Unternehmen war schwer verschuldet und hätte nicht mal eine Million eingebracht. Außerdem …« Er setzt zu einer Fortsetzung an, hält jedoch gleich wieder inne.
»Außerdem was?«
»Koustas hatte angeboten, Geld in das Label zu stecken. Er legte weitere zwanzig Millionen auf den Tisch, ich unterschrieb einen weiteren Scheck, und so überstand Phonogramm die Krise. Seit damals können wir so recht und schlecht davon leben, aber mein Gewinn reichte nie aus, Koustas die Schulden zurückzuzahlen. Er hatte uns in der Hand.«
Als wäre ihm jetzt erst klargeworden, daß ihn Koustas über Jahre hinweg in der Gewalt hatte, fährt Karamitris mit einem Schlag in die Höhe. Er bebt am ganzen Körper, und die Sonnenbrille droht ihm von der Nase zu rutschen.
»Er hat uns versklavt!« schreit er. »Stellen Sie sich nur vor, ich kann mich nicht mal von ihr trennen.« Und er deutet auf seine Frau. »Er hat mir gedroht, daß er, sollte ich mich von ihr trennen, auf der Stelle die Schecks hervorholen und mich ins Gefängnis bringen würde. Sie verstehen, was das heißt? Ich werde sie für den Rest meines Lebens nicht mehr los!«
Er hat zu Ende gesprochen und läßt seinen Körper wieder in den Sessel sinken. Trotz seiner Brille ist er mit Blindheit geschlagen. Wenn er sich von ihr getrennt hätte, hätte nämlich Loukia keinerlei Verpflichtung mehr Koustas gegenüber, und der hätte ihr mitsamt seiner Greekinvest den Buckel runterrutschen können.
Sie blickt ihn an, ihre Augen sind voller Verachtung. »Beschwer dich lieber nicht, so schlecht ist es dir bei mir nicht ergangen«, meint sie. »Was warst du denn im Endeffekt? Ein drittklassiger Sänger, der mit der Vorgruppe auf die Bühne mußte, während die Leute noch beim Essen saßen. Ich hingegen habe alles verloren! Dinos war zwar kein einfacher Mensch, aber er trug mich auf Händen.«
»Warum hast du mich dann nicht verlassen, wenn es dir früher so gutging?« fragt Karamitris. »Dann hätten wir beide etwas davon gehabt.«
»Weil ich dich liebte.« Daraufhin schweigt sie eine Minute, zum Andenken ihrer dahingegangenen Liebe.
Ich unterbreche die Stille mit einer sachlichen Frage: »Und was für eine Position hatten Sie bei der Greekinvest?«
»Gar keine. All die Jahre hat mich Dinos völlig in Ruhe gelassen. So sehr, daß ich ihn ganz vergessen hatte. Erst im Juni begann er, mir Papiere zur Unterschrift zuzuschicken.«
Denn bis dahin hatte er alles über Petroulias geregelt. Nachdem man Petroulias umgebracht hatte, griff Koustas auf die Karamitri zurück, die er ganz in der Hand hatte.
Wenn ich da an Elena denke, so ist es ihr offensichtlich besser gelungen, sich aus der Abhängigkeit von ihrem Mann zu befreien. Wohl wurde sie von Koustas im Haus eingesperrt, doch sollten Makis’ Behauptungen über die ominösen Dienstage stimmen, entfloh sie ihrem Gefängnis immerhin einmal die Woche.
»Was für Unterlagen hat er Ihnen zur Unterschrift zugeschickt?«
»Keine Ahnung.«
»Wie, keine Ahnung? Jetzt stellen Sie sich nicht so an. Haben Sie nicht gelesen, was Sie unterschrieben haben?«
»Da war nichts zu lesen. Es waren unbeschriebene Blätter mit dem Briefkopf des Unternehmens, und irgendwo stand ein Bleistiftkreuzchen. Dort sollte ich unterzeichnen.«
Koustas ließ sie eine Blankounterschrift leisten und fügte dann ein, was ihm paßte. So erteilte sie auch die Anweisung für die Zahlung der Sponsorengelder an seinen Fußballverein. »Haben Sie jemals Christos Petroulias getroffen?«
»Wen bitte?« fragt sie mich überrascht.
»Den Codirektor der Greekinvest.«
»Von dem höre ich zum ersten Mal.«
Sie lügt nicht. Koustas hätte seine beiden ›Manager‹ niemals in Kontakt miteinander gebracht.
»Ist dieser Petroulias der Schiedsrichter, der umgebracht wurde, oder hat der nur zufällig denselben Namen?« fragt mich Karamitris.
»Kannten Sie ihn?« frage ich verdutzt.
»Nein, aber ich habe von ihm gehört. Seit Koustas mir auch noch einen Fußballverein aufgedrängt hatte, mußte ich mir gezwungenermaßen Spiele ansehen.«
»Welchen Verein hat er Ihnen aufgedrängt?«
»Iason. Der spielt in der dritten Liga.«
Plötzlich kommen mir Kalojirous
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