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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Genehmigung für das Abhören seines Telefons einholen müßte, die ich garantiert niemals bekäme, lasse ich es bleiben. Der richtige Schritt wäre, ein paar Tage abzuwarten und dann einen Durchsuchungsbefehl für die Büros der R. I. Hellas zu erwirken. Die Arvanitaki hat mir heute morgen verraten, sie halte die Daten in ihrem Schreibtisch unter Verschluß. Wenn wir sie nicht auffinden, hieße das, sie hätte dem Exminister die Gefälligkeit erwiesen und die Daten gelöscht. Was darauf schließen ließe, daß er ein Nestbeschmutzer ist. Ich wünsche mir nur, er möge rasch handeln, denn morgen früh muß ich Gikas die in Koustas’ Lagerraum aufgespürten Hinweise vorlegen. Und von da an wird es sich nur mehr um Stunden handeln, bis er die Nachforschungen einstellt.
    Ich springe aus dem Bett, um meine Gedankenflut einzudämmen. Adriani ist in der Küche. Sie hat Tomaten und Paprika mit abgehobenem Deckel in symmetrischer Anordnung aufgereiht: rot, grün – eine Tomate, eine Paprika. Vor sich hat sie eine tiefe Schüssel mit der Füllung. Sie packt eine Paprika, streicht die Füllung hinein und setzt den Deckel darauf. Mit den folgenden Tomaten geht sie genauso vor. Sie arbeitet mit erstaunlicher Geschwindigkeit, als hätte sie ihr Handwerk als Fließbandarbeiterin erlernt.
    »Du machst sie heute schon?« frage ich.
    Sie hebt den Kopf und lächelt mir zu. »Ja. Man läßt sie besser eine Nacht über in ihrem Saft stehen, damit sie das Öl gut aufsaugen. Morgen schiebe ich dann Zackenbarsch mit Knoblauch-Tomatensoße ins Rohr.«
    »Fisch auch noch?«
    »Sollen wir den Mann mit einem einzigen Gang abspeisen? Wir wollen doch nicht als Geizhälse dastehen!«
    Richtig. Außerdem haben wir ihm aus Prinzip kein Geldbriefchen zugesteckt, und das könnte zu Mißverständnissen über unsere finanzielle Lage geführt haben. Adriani wendet sich wieder ihrer Tätigkeit zu. Ich setze mich hin und schaue ihr zu, wie sie nacheinander drei Paprika und zwei Tomaten füllt, als plötzlich das Telefon klingelt. Ich nehme das Gespräch im Wohnzimmer an und habe Koula am Apparat.
    »Herr Charitos, der Herr Kriminaldirektor wünscht, daß Sie um sieben Uhr im Büro des Ministerialdirektors sind.«
    Ich bin perplex, denn den Ministerialdirektor bekomme ich, wenn’s hoch kommt, zweimal im Jahr zu Gesicht. »Hat er Ihnen gesagt, worum es geht?«
    »Nein. Ich habe Ihnen nur seine Worte wiedergegeben.«
    »In Ordnung, Koula.«
    Ich lasse den Hörer sinken und bleibe einen Augenblick lang stehen, um mich zu sammeln. Daß er mich um sieben Uhr abends herbeizitiert, bedeutet nichts Gutes. Ich gehe ins Schlafzimmer und ziehe die drei Briefumschläge aus der Schublade des Nachttischchens – den mit den Aufnahmen des Exministers und die anderen beiden. Ich trage sie lieber alle bei mir, man kann nie wissen, was auf einen zukommt.
    »Ich muß noch mal weg«, rufe ich Adriani auf dem Weg zur Wohnungstür zu.
    »Um wieviel Uhr kommst du wieder, damit ich dir das Essen warm halten kann?«
    »Weiß ich nicht. Der Ministerialdirektor will mich sprechen.«
    Es ist halb sieben, und der abendliche Verkehrsstau hat seinen Höhepunkt erreicht. Das Schrittempo tut mir nicht gut, es verschafft mir viel zuviel Zeit zum Nachdenken. Wenn der Ministerialdirektor mich zwecks Berichterstattung sprechen wollte, hätte Gikas einen Weg gefunden, mich beiseite zu räumen, denn er will sein Monopol im Kontakt mit der politischen Führung des Ministeriums mit niemandem teilen. Ob er sich etwa versichern möchte, daß es keinen nennenswerten Fortschritt im Fall Koustas gibt? Um einen Grund zu haben, den Fall zu den Akten zu legen? In diesem Fall will Gikas mich als Sündenbock an seiner Seite haben – Charitos ist mit dem Fall nicht zu Rande gekommen, was bleibt uns anderes übrig, als ihn abzuschließen? Ich stehe als unfähig da, sie distanzieren sich, und der Fall wandert ins Archiv. Die Lösung gefällt mir gar nicht, doch ich sehe keine Möglichkeit, etwas dagegen zu unternehmen. Ich weiß ja tatsächlich noch immer nicht, wer Koustas ermordet hat. Wenn ich von Anfang an auf Stellas von der Antiterrorabteilung gehört und den Fall abgeschoben hätte, müßte ich jetzt den Mißerfolg nicht ausbaden.
    Im Vorzimmer des Büros des Ministerialdirektors treffe ich auf Gikas. Ich setze mich neben ihn.
    »Sie haben Mist gebaut«, zischt er wie eine Schlange und begleitet sein Fauchen mit einem giftigen Blick.
    »Ich? Was habe ich denn getan?«
    »Das werden Sie gleich

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