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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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bekommen, und ihre Arbeitskraft in der Zwischenzeit ihrem Gönner zur Verfügung stellt.
    »Kommissar Charitos. Ich hätte gerne den Herrn Minister gesprochen«, sage ich. Sie hebt die Hand, um auf die Stühle zu deuten, doch ich setze ein »dienstlich« hinzu, worauf ihre Hand in der Luft hängenbleibt und sich wieder auf den Weg nach unten macht.
    »Einen Augenblick«, sagt sie und verschwindet hinter der Trennwand. Kurz darauf taucht sie wieder auf. »Kommen Sie zu Frau Koutsafti.« Und sie deutet hinter die Trennwand.
    Frau Koutsafti ist die Privatsekretärin des Exministers, und das sieht man ihr auch an. Sie ist an die Fünfzig, hat graues, ungefärbtes Haar und trägt ein grünes Kleid mit einer enormen Brosche unterhalb der rechten Schulter und einen Seidenschal um den Hals. Zu ihrer Rechten befindet sich die Tür zum Büro des Ministers. Sie ist mit dunklem Kunstleder gepolstert und mit kleinen Knöpfen zu Rauten gemustert, die an Portionen verbrannten Baklavas erinnern.
    »In welcher Angelegenheit möchten Sie den Herrn Minister sprechen?« fragt sie.
    »Ich habe der jungen Frau bereits erklärt, daß es sich um einen dienstlichen Besuch handelt«, entgegne ich. »Anscheinend hat sie Ihnen das nicht ausgerichtet.«
    Sie schürzt die Lippen, und ihre Nase fährt steil nach oben, doch sie kann mir nicht widersprechen.
    »Nehmen Sie Platz«, meint sie, deutet auf einen Sessel und verschwindet hinter der gepolsterten Tür. Gleich darauf öffnet sie sie halb, streckt ihren Kopf heraus und bittet mich einzutreten.
    Man muß sich schon zusammenreißen, wenn man vor einem wie aus dem Ei gepellten Herrn steht, von dem man ein kompromittierendes Foto kennt. Ich beiße mir auf die Lippen, um mir nichts anmerken zu lassen. Der Exminister streckt mir die Hand entgegen. Er trägt dasselbe Lächeln zur Schau wie auf dem Foto im Wartezimmer, wo er der Menge zuwinkt.
    »Schön, Sie zu sehen«, sagt er. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Herr Charitos. Ich habe viel von Ihnen gehört.«
    Gar nichts hat er gehört, doch alle Politiker tun so, als ob sie sich besonders um die Sicherheitskräfte kümmern und die Polizeibeamten sogar namentlich kennen würden. In Wirklichkeit erinnern sie sich nur dann an uns, wenn Massenveranstaltungen, Protestmärsche und Fußballspiele ins Haus stehen.
    »Entschuldigen Sie den unangemeldeten Besuch, Herr Minister«, entgegne ich, ganz Kavalier der alten Schule, »doch wir untersuchen den Mord an Konstantinos Koustas, und dabei haben sich einige Fragen ergeben.«
    Er scheint nicht beunruhigt zu sein, ganz im Gegenteil, er nimmt den Gesichtsausdruck eines zerknirschten Verwandten an. »Wie furchtbar!« meint er kopfschüttelnd. »Welch tragischer Verlust!«
    »Kannten Sie ihn?«
    »Selbstverständlich. Er hatte ein französisches Restaurant in Kifissia, das Canard Doré. Da ich ein großer Verehrer der französischen Küche bin, gehe ich oft dorthin. Ich versichere Ihnen, daß es einem guten Speiselokal in Frankreich in nichts nachsteht.«
    »Er besaß zwei weitere Lokale, den Nachtfalter und das Rembetiko.«
    »Ja, dort bin ich auch ein paarmal gewesen, aber ich bin kein Anhänger der leichten Muse. Ich komme aber nicht darum herum, wir Politiker müssen uns dann und wann auch in diesem Umfeld zeigen. Dadurch stellt man seine Volksnähe unter Beweis.« Er hält inne und blickt mich an. »Darüber hinaus hatte ich keinerlei Beziehungen zu Dinos Koustas, und ich frage mich, wie ich Ihnen nützlich sein kann.«
    »Im Verlauf der Nachforschungen bin ich auf etwas gestoßen, das Ihnen gehört, und ich dachte, ich sollte es Ihnen besser persönlich zurückgeben.«
    »Etwas, das mir gehört? Was aus meinem Besitz könnte Koustas haben?« Er blickt mich neugierig an, immer noch zeichnet sich keine Besorgnis in seinem Gesicht ab.
    Ich ziehe den Briefumschlag mit der Fotografie aus der Innentasche meines Jacketts und lasse ihn auf seinen Schreibtisch sinken. Das Negativ habe ich zu Hause gelassen. Er nimmt den Umschlag und öffnet ihn. Wie schießt nach dem ersten Frühlingsregen der junge Klee aus dem Boden? Genauso unvermutet treten Schweißtröpfchen auf seine Stirn. Seine Hände zittern, und seine Finger krampfen sich um die Aufnahme.
    »Die sehe ich zum ersten Mal«, lallt er.
    »Wen? Die junge Frau?«
    »Nein. Die Fotografie. Die junge Frau hatte ich einmal getroffen, als ich mit einer Gruppe aus meinem Wahlkreis in Koustas’ Nachtklub ging – wie heißt er schon wieder?« Er tut vermutlich

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