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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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so, als hätte er den Namen vergessen, doch es kann auch sein, daß er vor lauter Aufregung unter Gedächtnisschwund leidet.
    »Rembetiko.«
    »Richtig, ich war im Rembetiko. Die Leute aus meinem Wahlkreis waren begeistert, und Koustas schickte die junge Frau als unterhaltsame Draufgabe an unseren Tisch. Im Morgengrauen sind wir aufgebrochen. Wir hatten viel getrunken. Ich war besoffen und wollte galant sein. Also schlug ich ihr vor, sie mit meinem Wagen nach Hause zu fahren. Als wir dort waren, meinte sie, ich sollte auf einen Drink nach oben kommen – und das Unvermeidliche geschah.« Er verstummt und blickt wieder auf die Fotografie, die er auf seinem Schreibtisch abgelegt hat. »Wie sollte ich darauf kommen, daß alles ein abgekartetes Spiel war und Koustas einen Fotografen in der Wohnung postiert hatte?«
    »Haben Sie sie wiedergesehen?«
    »Nein, ich habe sie danach nie wiedergesehen.«
    »Wieso findet sich dann Ihre Telefonnummer in ihrem Adreßbuch?« Ich ziehe das Blatt aus Kalias Notizbuch mit seiner Telefonnummer hervor.
    »Keine Ahnung«, sagt er. »Fragen Sie sie doch selbst.«
    »Leider kann ich sie nicht mehr befragen, Herr Minister. Sie ist verstorben.«
    »Verstorben?« wiederholt er und blickt mich wie vom Schlag gerührt an. Möglich, daß seine Überraschung echt ist, doch Politiker sind von Berufs wegen Schmierenkomödianten.
    »Ja, vor vier Tagen an einer Überdosis. Jemand war zum Zeitpunkt ihres Todes bei ihr, doch er hat vor dem Weggehen alle Spuren verwischt.«
    Er mustert mich. »Glauben Sie, daß ich es war?« kommt es langsam über seine Lippen.
    »Waren Sie es denn?«
    »Nein.«
    »Wo waren Sie am letzten Montagabend?«
    »Wir hatten eine Marathonsitzung in der Partei, die zog sich bis spät in die Nacht hin.«
    »Bis wann etwa?«
    »Bis elf.«
    »Und danach?«
    »Bin ich direkt nach Hause gefahren.«
    »War noch jemand bei Ihnen?«
    »Nein. Ich bin geschieden und lebe allein. Ich habe eine Kleinigkeit gegessen, mir das Mitternachtsjournal angesehen und bin dann ins Bett.«
    »Folglich gibt es niemanden, der bestätigen kann, daß Sie die ganze Nacht zu Hause waren?«
    Abrupt wird der Politiker in ihm geweckt. »Brauche ich etwa einen glaubwürdigen Zeugen?« fragt er mit der strengen Miene des Ministers, der einen Untergebenen zusammenstaucht.
    »Was wollen Sie von mir hören, Herr Minister? Derjenige, der bei ihr war, wollte seine Identität nicht offenbaren. Und Ihnen kam Kalias Tod gelegen. Koustas war bereits tot, demnach war niemand mehr übrig, der Sie bloßstellen oder erpressen konnte wegen Ihres – Ausrutschers.«
    »Das schlägt dem Faß den Boden aus!« schreit er außer sich. »Mein politischer Werdegang läßt keine derartigen Anspielungen zu, Herr Kommissar. Ich bin seit zwanzig Jahren Parlamentsabgeordneter, ich hatte einen Ministerposten inne, und ich habe niemandem auch nur die geringste Handhabe gegeben, mich zu erpressen.«
    »Jedenfalls erpreßte Koustas Sie oder plante es zumindest. Warum sollte er sonst die Aufnahme schießen lassen, die Sie in der Hand halten? Welche Beziehung hatten Sie zu Koustas, Herr Minister?«
    »Ich habe Ihnen bereits erläutert, was das für eine Beziehung war. Eine rein kulinarische.«
    »Bestimmt hat er Sie nicht dazu erpreßt, im Canard Doré essen zu gehen.« Ich würde gerne den Namen des rohen Fleisches hinzufügen, das man mir dort vorgesetzt hatte, doch er ist mir entfallen. »Hat das vielleicht etwas mit den Meinungsumfragen zu Ihrem Beliebtheitsgrad zu tun?«
    Er blickt mich zum ersten Mal besorgt an. »Was haben die Umfragen mit dem Mord an Koustas zu schaffen? Die hat doch die R. I. Hellas durchgeführt, die einem gewissen Petroulias gehört.«
    »Der ebenfalls ermordet wurde. Doch Petroulias war nur der Strohmann. Dahinter verbarg sich Koustas, und das wußten Sie. Was hat Koustas als Gegenleistung von Ihnen verlangt, damit er Sie besser dastehen ließ als Ihren eigenen Parteivorsitzenden? Wollte er vielleicht Ihre Rückendeckung für die drei Milliarden Schwarzgeld, die er jährlich reingewaschen hat?«
    Er wird kreidebleich, doch seine Stimme hört sich frostig und fest an. »Haben Ihre Vorgesetzten Kenntnis davon, daß Sie hierhergekommen sind und mir diese Fragen stellen?« fragt er.
    »Nein, sie wissen nichts davon. Wenn ich es ihnen gesagt hätte, hätte ich ihnen ja auch die Aufnahme und die Seite aus Kalliopi Kourtoglous Adreßbuch mit Ihrer Telefonnummer zeigen müssen. Und diese Dinge wollte ich lieber für mich

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