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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Abend des Mordes die fünfzehn Millionen bei sich.«
    »Wer erpreßte ihn?«
    »Das ist noch nicht ganz klar. Vielleicht erpreßten ihn diejenigen, die den Mord ausgeführt hatten, um noch mehr Geld aus ihm herauszuholen. Vielleicht erpreßte ihn die blonde junge Frau, die in Petroulias’ Begleitung war und deren Spur wir nicht aufnehmen konnten.«
    »Wann haben Sie all diese Hinweise aufgespürt?«
    »Vorgestern nachmittag.«
    »Und warum haben Sie Ihren Vorgesetzten nicht unverzüglich in Kenntnis gesetzt? Sie sind auf Hinweise gestoßen, daß politische Persönlichkeiten involviert sein könnten, und haben das für sich behalten?«
    »Und das, nachdem ich Ihnen gegenüber ausdrücklich betont hatte, nichts ohne Rücksprache zu unternehmen!« setzt Gikas nach.
    »Ich bin doch erst vorgestern darauf gestoßen. Ich hatte vor, Ihnen alles zu übergeben.«
    »Sie haben es uns heute überreicht, weil ich Sie vorgeladen habe, und jetzt versuchen Sie, sich herauszureden. Sonst hätten Sie alles wahrscheinlich noch zwei Wochen für sich behalten.«
    Ich weiß, daß hier mein Schwachpunkt liegt – ich hätte Gikas unverzüglich benachrichtigen müssen, doch ich setzte alles auf eine Karte. Und nun versuche ich verzweifelt, meine Unschuld zu beweisen. Bislang war ich der Star der Vorstellung, so etwas wie Karteris, der Sänger im Rembetiko. Nun aber laufe ich Gefahr, zur Kalia unter den Polizeibeamten zu werden.
    »Ich wollte die Hinweise erst überprüfen, um dann dem Herrn Kriminaldirektor vollständig Bericht zu erstatten.«
    »Wann wollten Sie das denn abklären? Nachdem Sie auch den Abgeordneten, dem Koustas das Apartment überschrieben hat, genötigt hätten?«
    »Hier geht es um zwei Morde und eine ganze Geldwaschanlage. Ich hielt es für meine Pflicht, die Sache aufzuklären.«
    »Es ist Ihre Pflicht, Ihre Vorgesetzten auf dem laufenden zu halten und Anweisungen einzuholen, wenn Sie bei Ihren Nachforschungen auf politische Persönlichkeiten stoßen. Sie sind ein altgedienter Polizeibeamter, und Sie wissen, daß das eine der wichtigsten Grundregeln ist. Sie haben ohne Rücksprache die Initiative ergriffen und sich alles andere als professionell verhalten, Herr Kommissar.«
    »Auch diejenigen, die die Titanic gebaut haben, waren Profis, Herr Ministerialdirektor«, entgegne ich. »Noah war es nicht, doch er konnte sich retten.«
    Er sieht aus, als hätte er in einen sauren Apfel gebissen. »Sie werden die Akten der Fälle bei Herrn Gikas abgeben«, sagt er erbost. »Von heute an sind Sie vom Dienst suspendiert, und ich werde ein Disziplinarverfahren wegen Überschreitung Ihrer Befugnisse gegen Sie einleiten.«
    »Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Sobald ich zwei miteinander in Verbindung stehende Morde vor mir habe, ist es meine Pflicht, alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.«
    »Sie haben noch eine andere Pflicht, nämlich im Rahmen Ihrer Zuständigkeit zu bleiben. Sie sind kein Noah, und wir werden Ihretwegen die Arche nicht auf Grund laufen lassen. Damit hat sich’s.«
    Und wie es sich damit hat. Was anderes gibt es noch zu sagen, nachdem sie den Film, die Übertragungsurkunde und die beiden Aufnahmen von der Insel an sich gebracht haben? Ich erhebe mich und gehe zu Tür, ohne einen Mucks verlauten zu lassen. Die Mitglieder des Disziplinargerichts werden mich für verrückt erklären, weil ich mir eigenhändig die Schlinge um den Hals gelegt habe, obwohl ich Gikas die Hinweise mitsamt der Verantwortung hätte aufbürden können. Im Endeffekt machen es alle so und haben ihre Ruhe. Ich brauche mir nur im Archiv die Rubrik der unaufgeklärten Verbrechen anzusehen, um festzustellen, was für ein Vollidiot ich bin.
    »Montag morgen möchte ich die beiden Briefumschläge auf meinem Schreibtisch sehen«, höre ich Gikas’ Stimme noch in meinem Rücken.
    Ich entgegne nichts, ich wende mich nicht einmal zu ihm um. Ich öffne die Tür und trete hinaus.

50
    S eit gestern abend befinde ich mich in einer Zwangslage: Soll ich Adriani und Katerina von meiner Suspendierung erzählen? Wenn man sein Leid mit jemandem teilt, ist es normalerweise so, als nehme man ein Darlehen auf. Man atmet zwar zunächst auf, doch zahlt man danach über Monate hinweg seine vorläufige Erleichterung unter drückenden Bedingungen ab. Wenn ich von meiner Suspendierung erzähle, wird mir zwar leichter. Der Preis dafür wäre, Adriani in Aufregung zu versetzen. Sie würde mich aus Angst vor einem Herzinfarkt gar nicht mehr aus ihrer Obhut

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