Nachtfalter
hören. Merken Sie sich eins: Ich kann Sie nicht decken. Sehen Sie zu, wie Sie die Sache selbst hinkriegen.«
Mir bleibt keine Zeit mehr, ihm zu antworten, denn aus dem Büro des Ministerialdirektors tritt eine Sekretärin und winkt uns herein.
Das Büro ist klein, und die Möbel sind alle an die Wand gerückt. Der Ministerialdirektor sitzt eingepfercht hinter einem riesigen Schreibtisch. Er erhebt sich nicht und streckt uns auch die Hand zur Begrüßung nicht entgegen, sondern deutet bloß auf die beiden Sessel vor seinem Schreibtisch. Gikas nimmt Platz und dreht sein Hinterteil etwas seitlich, um den Ministerialdirektor und nicht mich im Blick zu haben.
Er geht, ohne jegliche Vorwarnung, zum Angriff über. »Herr Charitos, ich habe Sie für einen sehr begabten Kommissar gehalten, doch heute haben Sie mich schwer enttäuscht.«
»Wieso, Herr Ministerialdirektor?«
»Woher nehmen Sie das Recht, ein Mitglied des Parlaments, dazu noch einen ehemaligen Minister, zu nötigen? Wer hat Ihr Vorgehen genehmigt?«
»Zunächst einmal habe ich ihn nicht genötigt.«
»Sie haben ihn bedroht, um ihn zu einer Aussage zu zwingen. Wenn Sie herausbekommen wollen, was für Beziehungen er zu Konstantinos Koustas unterhielt, können Sie sich an mich oder Herrn Gikas wenden. Der Mann bebte vor Zorn am Telefon. Er hat mir versichert, seine einzige Verbindung zu Koustas sei die Tatsache, daß er des öfteren in seinem Restaurant zu Gast war. Er bereitet eine parlamentarische Anfrage an den Innenminister vor, der die Hintergründe für Ihr Vorgehen erklären soll.«
Der Arsch. Sobald er sich vergewissert hatte, daß keine weitere Fotografie existierte, die ihn kompromittieren könnte, rief er sofort den Ministerialdirektor an, um mich anzuschwärzen.
»Von der Fotografie hat er nichts erwähnt?«
»Von welcher Fotografie?«
Ich ziehe die drei Briefumschläge aus der Innentasche meines Jacketts. Ich suche denjenigen mit den Aufnahmen vom Exminister und Kalia heraus und überreiche ihn dem Ministerialdirektor. Die anderen beiden halte ich noch zurück, um nicht gleich mein ganzes Pulver zu verschießen. Der Ministerialdirektor hält den Negativstreifen unter die Schreibtischlampe. Scheinbar hat er etwas darauf wahrgenommen, denn er läßt ihn unvermittelt wieder sinken, als hätte es sich die Finger daran verbrannt.
»Was ist das denn?« fragt er.
»Ein Negativfilm, dessen Aufnahmen den Herrn Minister im Bett mit einem der Mädchen aus Koustas’ Nachtklub Rembetiko zeigen. Wir haben sie in einem Lagerraum gefunden, wo Koustas sein Geheimarchiv hatte. Die junge Frau ist an einer Überdosis gestorben, und ich habe guten Grund anzunehmen, daß der Herr Minister zum Zeitpunkt ihres Todes bei ihr war.«
»Glauben Sie, daß er sie getötet hat?«
»Ich habe keinen Hinweis, der das untermauert. Aber Koustas erpreßte den Minister, und das war der zweite Grund für meinen Besuch.«
»Wieso sollte er ihn erpressen? Aus welchem Grund?«
»Hinter der Fassade seiner Unternehmen hatte Koustas ein ganzes Netzwerk zur Geldwäsche organisiert.« Und ich erläutere ihnen die Verteidigungsanlage, die Koustas errichtet hatte. Gikas starrt mich mit zusammengezogenen Brauen an. Mir ist klar, daß er mir das bis zur Rente nicht verzeihen wird, doch ich kann in diesem Augenblick nicht anders. Der Ministerialdirektor hat das Kinn in die Hände gestützt und hält die Augen geschlossen.
»Und das ist noch lange nicht alles«, sage ich und lege ihm die anderen beiden Briefumschläge vor.
Er schlägt mühsam die Augen auf und greift nach dem großen Umschlag mit der Übertragungsurkunde der Immobilie. Er liest den Namen des Parlamentsabgeordneten der Regierungspartei, weiß aber nicht, was er mit den Schriftstücken anfangen soll, und reicht sie an Gikas weiter, um sie loszuwerden. Er nimmt den Briefumschlag mit den beiden Aufnahmen von der Insel zur Hand. Er begutachtet sie und gibt auch sie an Gikas weiter. Sie sehen aus wie zwei gute Freunde, die einträchtig Ferienschnappschüsse betrachten: Zuerst mustert sie der eine, anschließend reicht er sie dem anderen weiter.
»Was steckt hinter diesen Fotografien?« fragt mich der Ministerialdirektor.
»Die erste Aufnahme zeigt die Insel, auf der Petroulias ermordet aufgefunden wurde. Die zweite zeigt den Ort, wo die Leiche verscharrt wurde. Dahinter steckt mit Sicherheit, daß Petroulias auf Koustas’ Anweisung hin umgebracht wurde. Einige wußten davon und erpreßten Koustas. Deshalb trug er am
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