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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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läßt mir keine Zeit, mich zu erholen. »Hören Sie, ich antworte nicht nur auf Ihre Fragen, ich biete Ihnen darüber hinaus noch eine Führung durchs Lokal und die Beschreibung der Rotlichtmethoden. Sogar die Kreidezeichnung mit den Umrissen der Leiche kann ich auf den Asphalt malen. Wenn Sie zweihunderttausend mehr springen lassen, lasse ich auch einen BMW auffahren, der genauso aussieht wie der von meinem Chef, damit die ganze Sache lebendiger wirkt.«
    »Seit wann zahlt denn der griechische Staat eine Million für die Aussage eines Augenzeugen?«
    Sein Elan fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen, und er blickt mich an. »Sind Sie denn nicht vom Fernsehen?«
    »Passen Sie bloß auf, daß Sie nicht in die Röhre gucken, wenn Sie so sehnsüchtig auf das Fernsehen warten. Kommissar Charitos, von der Mordkommission. Glauben Sie, ich veranstalte hier eine Reality Show?« Ich danke Adriani auf den Knien, daß sie mir das Wort zur rechten Zeit unter die Nase gerieben hat.
    »Weiß ich doch nicht, warum Sie hergekommen sind. Aber ich habe meiner ursprünglichen Aussage nichts hinzuzufügen.«
    »Und was ist mit Ihren Erläuterungen zu den Methoden des Rotlichtmilieus?«
    »Das war bloß leeres Gerede. Ich dachte, Sie wären von einem Fernsehsender und ich könnte Sie einwickeln und ihnen vielleicht ein paar Drachmen aus der Tasche ziehen.«
    »Dann gehen wir anders vor«, meine ich ganz freundlich. »Ich bringe Sie zum Verhör aufs Präsidium. Wenn Sie rauskommen, wartet die Reportermeute des ganzen Bezirks Attika auf Sie. Und vor denen werden Sie gratis auspacken, nur um mit heiler Haut davonzukommen.«
    Er benötigt fünf Sekunden, um ein knappes »Fragen Sie schon!« hervorzustoßen.
    »Um welche Uhrzeit hat Koustas am Abend des Mordes das Nachtlokal verlassen?«
    »So gegen halb drei. Es kam mir komisch vor, daß er allein hinausging, und ich sagte ihm –«
    »Ich weiß, was Sie ihm sagten. Erzählen Sie, was er getan hat.«
    »Er ist zu seinem Wagen gegangen und hat die Tür aufgeschlossen …«
    »Wo war der Wagen abgestellt?«
    »Dort drüben, auf dem Gehsteig.« Und er deutet auf eine Stelle, an der nun ein roter Ford Escort parkt. »Dort hat er ihn immer hingestellt. Ich habe ihm den Platz freigehalten.«
    »Und was hat er dann getan?«
    »Er öffnete die Wagentür und beugte sich hinein, um etwas herauszuholen. Da sah ich, wie der Typ auf ihn zuging.«
    »War er mit dem Motorrad bis zu ihm hingefahren?«
    »Nein, er kam zu Fuß. Das Motorrad war schon früher eingetroffen, aber den Zusammenhang stellte ich erst später her.«
    »Lassen wir mal das Motorrad. Knöpfen wir uns den Mörder vor. Aus welcher Richtung kam er auf ihn zu?«
    »Von dort.«
    Er deutet vage in Richtung der Schiffswerften bei Skaramangas. Das Gelände rund um das Rembetiko ist von allen Seiten her offen. Linker Hand liegt eine finstere Sackgasse, in die ein kleiner Lieferwagen passen könnte. Daran schließen sich ein Betonziegellager und eine KFZ -Werkstatt an. Der Täter hat in dem Sträßchen gelauert und sich in Bewegung gesetzt, als er Koustas auf seinen Wagen zugehen sah. Die Frage stellt sich, ob der Mörder wußte, daß Koustas allein aus dem Nachtlokal treten würde. Sonst setzte er keinen Fuß vor die Tür ohne die Begleitung seiner Schlägertypen. Für den Täter wäre es ein übertrieben großes Risiko gewesen, es mit allen drei auf einmal aufzunehmen.
    Was aber, wenn der Gegenstand, den er aus dem Wagen holen wollte, etwas mit dem Mörder zu tun hatte und der wußte, daß er vor das Lokal treten würde, um ihn zu holen? Es wurde jedoch weder in Koustas’ Händen noch im Wagen etwas aufgefunden, das diese Auffassung stützen könnte. Das behauptet zumindest der offizielle Polizeibericht.
    Ich wende mich wieder dem Türsteher zu. »Wie hat sich der Mörder verhalten?«
    »Er ist von hinten auf ihn zugetreten. Dann muß er etwas zu ihm gesagt haben. Nicht, daß ich etwas gehört hätte, doch ich sah, wie sich Koustas umdrehte. Daraus habe ich die Schlußfolgerung gezogen.«
    »Lassen wir mal die Schlußfolgerung beiseite. Als sich Koustas zu seinem Mörder umwandte, hielt er da irgend etwas in der Hand?«
    »Nein, nichts.«
    »Was ist dann passiert?«
    »Der Typ hat drei-, viermal auf ihn geschossen …, viermal glaube ich …, und dann lief er auf das Motorrad zu.«
    »Hat er sich nicht gebückt, um noch etwas aus dem Wagen zu holen, bevor er loslief?«
    »Nein, was hätte er denn mitnehmen sollen?«
    »Seinen Mantel –

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