Nachtfalter
und legt auf.
Das ist meine Art und Weise, sie meine Verstimmung spüren zu lassen. Panos ist Katerinas Freund. Sie sind seit zwei Jahren zusammen, doch ich kann ihn nicht riechen und Katerina weiß das. Er ist kein schlechter Kerl, er hat vor, akademischer Gemüsehändler zu werden, genauer gesagt studiert er Agrarökonomie. Er ist ein athletischer Muskelprotz, der ständig T-Shirts und Sportschuhe trägt. Wir haben etliche dieses Schlags im Polizeidienst, und ihr Hirn ist winziger als die Oliven, die Panos während des Studiengangs in Agrarökonomie züchtet. Nach und nach habe ich mit meiner Tochter einen Code entwickelt. Ich frage nicht nach Panos, und sie erzählt mir nichts von ihm. Wenn ich sie ausnahmsweise doch auf Panos anspreche, heißt das, daß mir die Galle gleich überläuft und ich Lust hätte, jemand zur Schnecke zu machen.
Da ich Katerina mein Wort gegeben habe, ist es zwecklos, sich mit Adriani anzulegen. Ich setze mich also hin, um die Tagesschau zu gucken. Vielleicht bringen sie ja etwas über Koustas. Adriani läßt sich nicht blicken, sie wartet ab, bis mich die Sendung ganz in ihren Bann geschlagen hat. Kurz darauf bemerke ich, wie sie, wie die Katze der Kousta, auf Zehenspitzen hereinschleicht und sich auf den Rand des Sessels setzt. Die ganze Zeit über bleibt ihr Blick fest auf den Bildschirm geheftet, und sie vermeidet es, mich anzusehen.
Die Nachrichtensendung kann mit keinen Neuigkeiten über den Mord aufwarten, und wie immer, wenn nichts Neues rausspringt, käuen sie Aufnahmen aus älteren Reportagen wieder. Ganz im Gegensatz zum Kino, wo man eine Vorschau auf die kommenden Filme zeigt, versenkt man sich hier in eine rückwärts gewandte Nabelschau. Dann folgt die medizinische Sensation des Tages. Ein Ärzteteam aus Island oder Grönland hat herausgefunden, daß Knoblauch nicht nur hohem Blutdruck, sondern auch Herzinfarkt vorbeugt. Gleich darauf tritt eine ganz in Weiß gewandete Forscherin mit einer Chirurgenmaske in Aktion und hackt Knoblauch, als wolle sie Tsatsiki zubereiten. Er scheint, daß sich heute alle verschworen haben, mir den letzten Nerv zu rauben.
»Wie umwerfend! Jeden Abend wird eine neue medizinische Entdeckung gemeldet. Das nennt man Fortschritt!« sagt Adriani. Sie spielt die Aufgebrachte, um meiner Abneigung gegen die Ärzteschaft neue Nahrung zu geben und sich mit mir zu versöhnen.
»Da werden Unsummen in die Forschung gesteckt, und die gehen damit auf dem Wochenmarkt Knoblauch kaufen«, entgegne ich. Bei dieser Vorstellung müssen wir beide lachen, und das Eis zwischen uns schmilzt.
Aber ich habe von ärztlichen Themen die Schnauze voll und verspüre Lust, eine Spazierfahrt durch die aufgehäuften Müllsäcke zu machen, um ein wenig Atem zu schöpfen. Ich beschließe, mich auf den Weg zum Rembetiko zu machen, um den Türsteher und Koustas’ Leibgarde zu verhören. Um diese Uhrzeit müßte ich sie antreffen.
8
D as Verkehrsaufkommen auf dem Athinon-Boulevard ist nur gering. Mit Ausnahme der hell erleuchteten Schaufenster der Automobilhändler herrscht absolute Dunkelheit. In der Finsternis ähneln die Müllberge Verteidigungswällen, die nach der Schlacht um Athen stehengeblieben sind. Auf der Fahrspur in Richtung Zentrum gleiten einige Lastwagen und Fernbusse vorüber. Die Hälfte der Fahrgäste haben ihre Köpfe ans Fenster gelehnt und dösen vor sich hin, die andere Hälfte blickt hinaus und labt sich am Anblick der Landschaft.
Als ich nach Chaidari komme, taucht das Rembetiko zu meiner Linken auf. Ich fahre daran vorbei und wende bei der nächsten Ampel, um davor parken zu können. Auch dieses Gebäude ist mit weißer Farbe gestrichen. Weiß bildete anscheinend die dominierende Farbe in Koustas’ Leben: weiße Lokale, weiße Statuen im Vorgärtchen, weißer Marmor in der Villa, weiße Sonnenschirme um den Swimmingpool. Als sei er, bevor er Unternehmer wurde, Sanitäter gewesen. Auch vor der Fassade des Rembetiko steht eine Neonreklame, nur nicht so gewaltig wie beim Nachtfalter.
Der Türsteher erweist sich als baumlanger Kerl um die Dreißig. Er trägt einen Rock mit goldenen Knöpfen und eine Mütze mit Goldbordüre. Sein Umriß überschattet den ganzen Eingangsbereich.
»Sind Sie Lambros Mantas?« frage ich, als ich auf ihn zutrete.
»Ja, wieso?«
»Ich möchte von Ihnen ein paar Dinge über den Mord an Koustas erfahren.«
Er mustert mich vom Scheitel bis zur Sohle. »Eine Million«, sagt er dann.
Ich blicke ihn überrascht an, doch er
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