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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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der eine Villa im Stil einer Gefängnisfestung besitzt und sich eine eigene Leibgarde in seinem Nachtlokal hält, entschließt, ohne schützende Begleitung vor den Schuppen zu treten.
    »Um wieviel Uhr hat Koustas den Nachtklub üblicherweise verlassen?«
    »Normalerweise so gegen drei, so gut wie nie vor zwei Uhr.« – Der Mörder hat sich für den goldenen Mittelweg entschieden – er schlug um halb drei zu.
    Die junge Frau hinter der Bar trocknet die Gläser ab und scheint uns nicht zuzuhören. Da eilt ein etwa fünfundvierzigjähriger spindeldürrer Mann im Laufschritt auf mich zu, das Jackett seines braunen Anzugs ist offen, und an seinem Hals prangt eine Fliege. Er trägt eine Brille mit dünner Metallfassung und streckt mir aus zehn Meter Entfernung bereits seine Hand zum Gruß entgegen. Ich sehe ihn mir an und frage mich, wo Koustas diesen abgehalfterten Rechtsanwalt für den Posten des Geschäftsführers wohl aufgelesen hat.
    »Renos Chortiatis, Herr Kommissar«, sagt er, als ich ihm die Hand drücke. »Ich bin der Geschäftsführer. Gerade eben hat man mir Bescheid gesagt, daß Sie hier sind. Dürfen wir Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
    »Nein, besten Dank.«
    »Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Ich würde gerne wissen, ob Koustas, als er am Abend des Mordes nach draußen ging, irgend etwas mitgenommen hat.«
    »Woran denken Sie da?«
    »Weiß ich auch nicht, ich frage nur so. Die Tageseinnahmen beispielsweise.«
    Sein Blick gibt mir zu verstehen, daß er mich für nicht ganz dicht hält. »Nein, Herr Kommissar. Niemand würde soviel Geld mit sich herumtragen. Die Tageseinnahmen schließe ich immer in meinem Büro ein, und morgens kommt ein Wagen von City Protection vorbei und bringt sie zur Bank.«
    »Mit wem hat Koustas geredet, bevor er hinausging?«
    »Mit Kalia«, wirft einer der beiden Schlägertypen dazwischen. »Sie war mit ihrem Auftritt fertig und wollte gerade in ihre Garderobe gehen. Koustas hat sie beiseite genommen und etwas mit ihr besprochen.«
    »Wo kann ich diese Kalia finden?«
    »Sie ist in ihrer Garderobe und schminkt sich für den Auftritt«, sagt Chortiatis. »Warten Sie, ich begleite Sie.«
    Er führt mich in einen schmalen Gang. Auf der linken Seite liegen vier Umkleidekabinen mit Vorhängen davor. Chortiatis schlägt den zweiten Vorhang zurück, wo mich der Rücken einer jungen Frau empfängt, die sich im Spiegel betrachtet und Schminke aufträgt. Sobald sie uns erblickt, unterbricht sie ihre Maquillage und erhebt sich. Sie trägt ein silbrig glänzendes, paillettenbesetztes Kleid. Ich betrachte mir den Saum und frage mich, wie viele Millimeter noch fehlen, bis ihr Unterhöschen zum Vorschein kommt. Sie ist nicht einmal fünfundzwanzig, doch das dick aufgetragene Make-up läßt sie verlebt wirken.
    »Der Herr Kommissar möchte dir ein paar Fragen stellen«, meint Chortiatis. Ein diensteifriges Grinsen macht sich auf seinem Gesicht breit, und er scheint nicht von unserer Seite weichen zu wollen.
    »Lassen Sie uns allein«, sage ich knapp.
    Das Grinsen gerinnt zu einer säuerlichen Maske, und er verdrückt sich. Die junge Frau steht immer noch da und blickt mich ausdruckslos an.
    »Sind Sie Kalia?« frage ich.
    »Kommt drauf an. Für die Gäste bin ich Kalia. Für die Polizei heiße ich Kalliopi Kourtoglou.«
    »Sind Sie Sängerin?«
    »Hat man Ihnen das erzählt?« Sie bricht unvermittelt in ein zynisches Gelächter aus. »Nein, ich bin keine Sängerin, ich bin das schmückende Beiwerk.« Sie merkt, daß ich nicht folgen kann, und fährt fort. »Marina und ich treten zusammen mit Karteris, unserem Kassenmagnet, auf. Die eine steht links, die andere rechts von ihm. Angeblich sind wir Hintergrundsängerinnen, aber in Wirklichkeit singen wir überhaupt nicht. Da die Gäste nicht nur Karteris’ Hitparadenerfolge hören, sondern auch ein wenig nacktes Fleisch sehen wollen, bieten wir ihnen unsere Schenkel und Hintern zur Schau. Ab und zu lassen wir auch ein einstudiertes A-a-a hören … Wenn Sie das Singen nennen wollen–«
    Bis hierher kann ich ihr folgen. Was ich nicht nachvollziehen kann, ist: Was hatte Koustas bloß mit dieser unbedarften Nachtklubschönen zu besprechen?
    »Worüber hat Koustas am Abend des Mordes mit Ihnen gesprochen, als Sie Ihren Auftritt hinter sich hatten?«
    Sie blickt mich an und versucht, meine Gedanken zu lesen. »Ich erinnere mich nicht, daß er etwas von mir wollte«, entgegnet sie, doch ich bin sicher, daß sie sich etliche Antworten durch

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