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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Umfragewerten, der im Canard Doré zu Abend speiste. Nun begreife ich, aus welcher Ecke Gikas unter Druck gesetzt wird und warum er den Fall zu den unaufgeklärten Verbrechen abschieben will. Er kann ihn ja nicht einfach für abgeschlossen erklären. Wenn er ihn aber unter den unaufgeklärten Fällen ablegt und wir den Mörder eines Tages rein zufällig aufspüren, dann wird der gestehen, ohne das Motiv für Koustas’ Ermordung zu nennen, und wir werden ihn an den Staatsanwalt weiterreichen, ohne die Sache wirklich aufgeklärt zu haben. So würde der ganze Fall mir nichts, dir nichts unter den Teppich gekehrt. Und was Koustas betrifft, so scheint er schmutzige Geschäfte betrieben und gleichzeitig Verbindungen zu Politikern gepflegt zu haben. Augenscheinlich weiß oder ahnt Sotiropoulos etwas davon, doch selbst er traut sich nicht, den Mund aufzumachen.
    »Wen hat er sonst noch angerufen?«
    »Zweimal hat er Handys angewählt, deren Inhaber ich nicht ausfindig machen konnte. Es handelt sich wahrscheinlich um ausländische Mobiltelefone.«
    Diese Auslandsgespräche haben möglicherweise überhaupt keine Bedeutung. Vielleicht hat er mit Künstleragenten verhandelt, um Tänzerinnen für seine Etablissements zu engagieren. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, daß es in diesen Gesprächen auch um Transaktionen anderer Art ging. Wie sollen wir das bloß aufspüren!
    »Legt die Angelegenheit bei den unaufgeklärten Verbrechen ab und stellt die Ermittlungen ein«, sage ich zu ihnen.
    Schweigen macht sich breit. »Sollen wir nicht mal seiner Verbindung zu den Politikerkreisen nachgehen?«
    »Was willst du damit erreichen? Sollen wir sie zum Verhör vorladen? Sie werden sagen, sie seien befreundet gewesen und er habe sie zum Essen eingeladen. Und der Minister wird uns Daumenschrauben ansetzen, weil wir politische Funktionäre ohne stichhaltige Beweise behelligen. Schiebt den Fall einfach ab, vielleicht tappt uns der Täter in ein paar Jahren bei irgendeiner anderen Straftat in die Falle.«
    Selten übernehme ich Gikas’ Argumente, doch diesmal hat er recht. Selbst wenn es nicht die hundertprozentig korrekte Lösung ist, so kommen wir dabei doch am glimpflichsten davon. Alle anderen Möglichkeiten bringen uns unweigerlich in die Bredouille. Ich habe keineswegs vor, mich mit Gikas anzulegen, ohne mich zuvor nach allen Seiten abzusichern. Außerdem hat er mir sogar ein Genesungspräsent überreicht. Somit habe ich immerhin einen Blumentopf gewonnen.
    Die beiden trollen sich und lassen mich in Gedanken versunken zurück. Ein Zustand, der anhält, bis Adriani und Katerina wieder ins Zimmer treten.
    »Sogar hier mußt du dich über Morde unterhalten?« meint Adriani mit strenger Miene.
    »Was soll ich denn sonst mit Vlassopoulos und Dermitzakis bereden? Wieviel Benzin Vlassopoulos’ Hyundai verbraucht oder ob Dermitzakis wie sieben Tage Regenwetter dreinblickt, weil Panathinaikos gestern eine Niederlage eingesteckt hat? Das sind doch die einzigen Dinge, die sie im Kopf haben.«
    »Du tätest gut daran, eine Zeitlang die Dienststelle und die Mordfälle zu vergessen.«
    »Willst du mich um jeden Preis aufregen?«
    Sie verstummt auf der Stelle. Langsam beginne ich die guten Seiten des Krankseins zu entdecken. Die anderen schmeicheln sich bei dir ein, lesen dir jeden Wunsch von den Augen ab, und sobald du »Ruhe!« schreist, halten sie die Klappe.
    »Wenn ich Ihre Stimme schon bis auf den Gang hinaus höre, heißt das wohl, Sie sind wohlauf.«
    Ich wende meinen Kopf zur Seite und sehe den Arzt in der Tür stehen.
    »Bevor ich gehe, wollte ich Ihnen noch schnell Bescheid geben, daß Ihr Röntgenbild tadellos ist, die Ultraschalluntersuchung nichts ergeben hat, was Sie beunruhigen sollte, und es unaufhaltsam mit Ihnen bergauf geht.«
    Die Nachricht verleiht mir Flügel. Offensichtlich habe ich das Schlimmste hinter mir. »Wann, meinen Sie, daß Sie mich entlassen können, Herr Doktor?«
    »Da hält man Ihnen den kleinen Finger hin …«, entgegnet er lachend, doch er läßt sich nicht festnageln. »Ich habe angeordnet, daß man keinen weiteren Patienten zu Ihnen ins Zimmer legt, damit Sie Ihre Ruhe haben.«
    Wir rufen ihm alle wie aus einem Mund ein Dankeschön entgegen. Er verabschiedet sich mit einem’ Lächeln von Adriani, dann von Katerina und geht hinaus.
    »Ich möchte jetzt gern schlafen.«
    »Aber ja, das wird dir guttun«, sagt Adriani, als spreche sie zu einem Kind, das den ersten klaren Gedanken seines Lebens geäußert hat.

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