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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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besuchen. Dennoch bin ich gerührt über die kleine Aufmerksamkeit, denn üblicherweise trampeln wir einander auf den Nerven herum.
    »Hast du den Arzt vielleicht gefragt, wann ich wieder rauskann?«
    »Aber Papa, du bist nicht ganz bei Trost! Du bist ja noch keine vierundzwanzig Stunden hier!«
    Das ist mir klar, doch die Frage, die mir unter den Nägeln brennt, ist, wie viele Vierundzwanzigstundentage ich noch absitzen muß, bis ich wieder den Duft der Freiheit schnuppern kann. Die Tür geht auf, und ein Krankenpfleger schiebt einen Rollstuhl herein, um mich zu den Untersuchungen zu bringen. Er hilft mir, mich aufzurichten, auch Katerina eilt herbei und packt mich am anderen Arm, und alle beide setzen mich in den Stuhl – wie einen Querschnittgelähmten, der im Park spazierengeführt werden soll.
    »Leistest du mir Gesellschaft?« frage ich Katerina.
    »Na klar.«
    Ich sage ihr nicht, wie froh ich darüber bin, sie an meiner Seite zu haben. Das Krankenhaus, die Ärzte, die Geräte schüchtern mich ein, und in meiner Angst suche ich bei ihr Halt.
    Die Röntgenabteilung wirkt wie die Filiale der National Bank. Eine dichtgedrängte Menschenmenge – die einen in einfacher Alltagskleidung, die anderen im Schlafanzug, und wieder andere flanieren durch die Gänge, während Gattin oder Tochter ihnen die Infusionsflasche über den Kopf hält, damit die Tröpfchenzufuhr nicht unterbrochen wird. Wenn die bloß keinen Schatten in der Lunge finden, sage ich zu mir selbst, als ich zur Röntgenaufnahme hineinfahre und mir das Herz in die Hose rutscht.
    Als wir nach einer halben Stunde ins Zimmer zurückkehren, treffen wir auf Vlassopoulos und Dermitzakis, die schon auf mich warten. Vlassopoulos, der Katerina schon lange kennt, reicht ihr die Hand. Dermitzakis, der sie zum ersten Mal sieht, weil er neu auf der Dienststelle ist, begnügt sich mit einem »Sehr erfreut« und würdigt sie dann keines Blickes mehr, aus Angst, ich könnte sein Interesse in den falschen Hals kriegen. Womit er vollkommen richtigliegt.
    »Was haben Sie wieder angestellt, Herr Kommissar?!« sagt Dermitzakis.
    »Mir geht’s prima, mir fehlt nichts. Wenn du gemeint hast, du bist mich los, dann hast du dich getäuscht.«
    »Aber wir wollen Sie doch nicht los sein! Vielleicht mäkeln Sie ab und zu an uns herum, doch alle anderen sind noch schlimmer.«
    »Habt ihr irgendeine Neuigkeit auf Lager?«
    »Jetzt erzählen Sie uns erst mal, wie es Ihnen geht«, meint Vlassopoulos.
    »Aber nein, ich will es wissen. Ich halte es hier drinnen vor lauter Herumliegen kaum aus. Dann habe ich wenigstens etwas zum Nachdenken. Habt ihr etwas über Koustas herausbekommen?«
    »Nur einer hat ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert.«
    »Und was hat er gesagt?«
    »Weck bloß keine schlafenden Hunde.«
    »He, Vlassopoulos, was soll das schon wieder heißen?« sage ich und richte mich in meinem Bett abrupt auf. Im selben Augenblick spüre ich, wie mein Herz wie wahnsinnig zu rasen anfängt, ich zucke zusammen und lasse mich wieder in die Kissen fallen.
    »Sie haben mich falsch verstanden«, meint Vlassopoulos. »Ich habe nur wiederholt, was er zu mir gesagt hat. Wir waren allein, aber er blickte sich die ganze Zeit ängstlich um, so als fühlte er sich beobachtet, und flüsterte mir zu: ›Weck bloß keine schlafenden Hunde.‹«
    In welche Machenschaften war Koustas verwickelt? Womit füllte er seine Taschen, so daß sich alle davor scheuten, darüber zu reden? Es bestand kein Zweifel, daß seine Ermordung auf eine interne Fehde zurückging – nur eben nicht unter Rotlichtbaronen, worauf die Antiterrorabteilung getippt hatte. Um dieser Sache auf den Grund zu gehen, würde nicht einmal die Bohranlage für den Athener U-Bahn-Tunnel ausreichen.
    »Hast du wegen seiner Telefonrechnungen was unternommen?« frage ich Dermitzakis.
    Er wirft mir einen kurzen Blick zu, bevor er antwortet. »Hatte dieser Koustas etwas mit Politik zu tun?«
    »Wieso?«
    »Weil er, mit Ausnahme der Anrufe bei seiner Frau und in seinen Lokalen, fast nur Gespräche mit Politikern geführt hat.«
    »Mit Politikern?« Jetzt bin ich hellwach und setze mich im Bett auf, aber nicht abrupt, sondern ganz sachte. »Mit welchen Politikern?«
    Dermitzakis zieht einen Notizzettel zu Rate, den er aus seiner Jackentasche geholt hat. »Mit drei Abgeordneten der Regierungspartei, zwei der Opposition und einem Exminister. Mit dem hat er fünfmal innerhalb von drei Tagen telefoniert.«
    Der Exminister mit den hohen

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