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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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»Und ich und Katerina gehen Kaffee trinken.«
    Ich bin nicht müde. Ich will bloß allein sein, denn es liegt mir im Magen, daß ich den Fall so ohne weiteres abschieben soll. Das muß ich erst noch verdauen.

18
    Klistier, das = [zu griech. Klysterion ›Spülung‹, ›Reinigung‹] Klysma, das Einbringen kleiner Flüssigkeitsmengen durch den After in den Dickdarm mit Hilfe einer Gummi- oder Klistierspritze zur Stuhlentleerung, im Unterschied zum Einlauf; bes. zur Behandlung von Stuhlverstopfungen bei Säuglingen und Kleinkindern angewendet.
    Der Eintrag stammt weder aus dem Dimitrakos-Wörterbuch noch aus dem Liddell-Scott, sondern aus dem ›Wörterbuch sämtlicher Begriffe bei Hippokrates‹ von Panos D. Apostolidis. Das hat mir Katerina geschenkt. Es ist fast neunhundert Seiten dick und muß eine Stange Geld gekostet haben. Ich wollte ihr schon gehörig den Kopf waschen, daß sie ihr Geld zum Fenster hinauswirft, aber sie erklärte mir, daß sie in der Zeit, wo sie bei uns in Athen wohnt, ja nichts weiter ausgebe und mir deshalb ein Geschenk machen könne.
    Fünf Tage sind vergangen, seitdem ich im Krankenzimmer mit den beiden Betten liege – wobei das andere immer noch leer steht. Ich und der Arzt sind dicke Freunde geworden, sogar seinen Namen kenne ich schon, Fanis Ousounidis, aber das nützt mir wenig, wenn ich ihn danach frage, wann ich endlich entlassen werde, und er mir mit einem geheimniskrämerischen Lächeln antwortet wie einer dieser politischen Schaumschläger, die sich zieren, öffentlich Stellung zu beziehen. Als ich ihn gestern wieder in die Enge treiben wollte, schwang er sich zum ersten Mal zu einer Entgegnung auf.
    »Warum, um Himmels willen, sehen Sie den Aufenthalt hier nicht als Kur an? Wie ich höre, mußten Sie Ihre Ferien mittendrin abbrechen. Betrachten Sie doch die Zeit hier einfach als zusätzlichen Urlaub.«
    Ich sollte Gikas veranlassen, Adriani auf die Gehaltsliste unserer Abteilung zu setzen. Leute, die andere anschwärzen, sind im Polizeipräsidium äußerst gefragt. Auf jeden Fall bin ich wieder ganz auf der Höhe, das merkt man auch an Katerina und Adriani. Sobald ich in den ersten beiden Tagen die Augen aufschlug, waren sie an meiner Seite. Jetzt kommen sie gegen zwölf, nachdem sie den Haushalt besorgt haben. Bedauerlicherweise stellen sich bezüglich meiner Entlassung aus dem Krankenhaus alle taub, und ich bringe meine Zeit mit genau abgesteckten Wegstrecken rum: Krankenzimmer – Toilette, Toilette – Krankenzimmer. Die habe ich bis über beide Ohren satt, und so sitze ich nun, um zehn Uhr morgens, in meinem Bett und studiere den Eintrag zum Wort Klistier.
    »Wenn du im nächsten Trimester wieder solche Noten nach Hause bringst, dann verpasse ich dir einen Einlauf«, pflegte mein Vater jedes Mal von sich zu geben, wenn er mein Zeugnis in Händen hielt. Ich konnte damals nicht begreifen, warum der Einlauf eine schwerere Strafe sein sollte als eine Tracht Prügel oder Hausarrest. Ich mußte mich bis zur Polizeischule hocharbeiten, um mir darüber klarzuwerden, daß das Klistier mit Lebertran oder Rhizinusöl die verbreitetste Foltermethode unter der Metaxas-Diktatur gewesen ist. Nun war mein Vater damals ein einfacher Gendarm, und ich wage zu bezweifeln, daß er jemals einem Häftling einen Einlauf verpaßt hat. Denn ich erinnere mich, daß der Arzt beim Krankenbesuch immer sein eigenes Klistier mitbringen mußte. Doch mein Vater drohte uns damit, da diese Erziehungsmethode ja von höchster Stelle abgesegnet war.
    »Darf ich reinkommen?«
    Ich hebe den Kopf und erblicke Vlassopoulos. Er steht im Türrahmen und grinst mir zu. »Wie komme ich denn am frühen Morgen zu der Ehre?« sage ich unwirsch zu ihm, um mein Mißfallen darüber zu unterstreichen, daß er seinen ans Krankenbett gefesselten Vorgesetzten so lange schon nicht mehr besucht hat.
    »Ich habe eine Überraschung für Sie.«
    »Was für eine Überraschung?«
    Er kommt näher und setzt sich auf das Bett nebenan. »Es hat sich einer gefunden, der den unbekannten Toten wiedererkannt hat.«
    Ich höre auf der Stelle auf, den Bettlägrigen zu spielen, der sich in dem Gefühl suhlt, ständig vernachlässigt zu werden, und würde am liebsten aus dem Bett springen.
    »Wann denn?«
    »Heute morgen. Ich hatte Sotiropoulos gebeten, das Foto nochmals auf die Mattscheibe zu bringen. Unser Mann ging gestern zur Polizeidienststelle seines Bezirks, und von dort haben sie ihn an uns weitergeleitet.«
    »Rück schon raus damit,

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