Nachtfalter
sein Geld damit, einen Ball vor sich herzukicken, und wenn er der Polizei sagt, daß sich ein Schiedsrichter kaufen ließ, muß er möglicherweise demnächst, wie die Kinder auf meinem Dorf, Kiefernzapfen vor sich herkicken.
»Na schön, Kyriakos«, sage ich nachsichtig. »Das wär’s für heute. Wir mußten Sie zwar hierher bemühen, doch Sie haben uns ein großes Stück weitergeholfen.«
Er erhebt sich auf der Stelle. In seinem Blick liegt Erleichterung darüber, daß er aus dem Schneider ist und von uns zu keiner weiteren Aussage gedrängt wird.
»Gute Besserung«, meint er. Vlassopoulos erachtet es als überflüssig, ihn nach draußen zu begleiten. Jetzt, wo er alles, was er weiß, ausgespuckt hat, sind wir nicht mehr auf ihn angewiesen, und infolgedessen kann sich Vlassopoulos die Höflichkeiten sparen.
»Ruf mal den Schiedsrichterverband an und mach Petroulias’ Adresse ausfindig«, sage ich zu ihm. »Wirf dann einen Blick in die Wohnung und klopf bei den Nachbarn an, ob sie irgend etwas wissen. Dann rufst du mich an.«
»In Ordnung.«
Er macht sich auf den Weg. »Sotiris«, rufe ich ihm hinterher, als er bei der Tür angelangt ist. »Bravo, du hast gute Arbeit geleistet.«
Sein Gesicht leuchtet auf. »Ich melde mich dann«, sagt er und geht hinaus.
Ich lasse das Wörterbuch beiseite und versuche, Sarafoglous Aussagen in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Schön und gut, Christos Petroulias war Schiedsrichter in der dritten Liga und wurde aus dem Weg geräumt. Selbst wenn ich davon ausgehe, daß er sich hat schmieren lassen und Spielergebnisse an den Meistbietenden verhökerte: Ist es vorstellbar, daß man ihn deswegen umgebracht hat? Stehen in der dritten Liga so große Interessen auf dem Spiel? Wenn dir jemand ein Match in der Nationalliga verdirbt, ist es gut möglich, daß du rotsiehst und den Kerl um die Ecke bringst. Aber wegen eines Spiels in der dritten Liga würde sich nicht einmal ein Albaner die Hände schmutzig machen. Gesetzt den Fall, man wollte Petroulias wegen eines gekauften Spielergebnisses ins Jenseits befördern, dann wäre der Mord doch spät am Abend passiert, als er gerade nach Hause kam, oder an einer stockdunklen Ecke. Man hätte ihn doch nicht auf eine Insel verfrachtet, um ihn dort kaltzumachen, hätte ihn doch nicht seiner Kleider entledigt und verscharrt, nachdem man seine Fingerabdrücke unkenntlich gemacht hatte. Hier ist irgend etwas anderes im Spiel, meine ich, etwas, das nichts mit seiner Tätigkeit als Schiedsrichter zu tun hat, sondern mit seinem eigentlichen Broterwerb. Wir müssen herausfinden, welcher Arbeit er nachging. Es fällt mir auf, daß beide Fälle, die mir in der letzten Zeit in den Schoß gefallen sind, etwas gemeinsam haben: Sie weisen auf den ersten Blick in eine bestimmte Richtung, doch merkt man dann, daß man sich hat irreleiten lassen.
Die schlagartig eingetretene Veränderung im Fall des unbekannten Toten führt dazu, daß ich wie ein Fakir auf Nadeln sitze. Und als der Arzt ins Zimmer tritt, packe ich die Gelegenheit beim Schopf. »Wie sehen Sie die Sache, Herr Doktor? Wann kann ich raus?«
Er lächelt beruhigend, mit der Gewißheit eines Menschen, der ein As im Ärmel verborgen hält. »Heute ist Mittwoch. Am Samstag können Sie nach Hause gehen.«
Ich ringe mich dazu durch, die ganz großen Argumente aufzufahren. »Hören Sie, Herr Doktor«, sage ich. »Ich muß annehmen, ich leide an etwas ganz anderem, und Sie rücken mit der Sprache nicht heraus. Warum sollten Sie mich sonst hier festhalten und grundlos zwei Krankenbetten blockieren? Meiner Einschätzung nach kann sich das griechische Gesundheitswesen derartigen Luxus nicht unbedingt erlauben.«
»Nein, nein, Ihnen fehlt sonst nichts. Aber …«
Was soll dieses »aber«? Da mir seiner Aussage nach sonst nichts fehlt, heißt das folglich, daß es meinem Herzen doch nicht so gutgeht, wie ich es mir einbilde. Und mir werden die Knie weich. »Was wollen Sie mit diesem ›aber‹ sagen?« frage ich ihn, während meine Pumpe wieder aufheult wie ein Außenbordmotor.
Er druckst herum, doch schließlich rückt er mit der Sprache heraus. »Ihre Frau hat uns erzählt, daß Sie nicht zu denjenigen Zeitgenossen gehören, die sich krank schreiben lassen und schön zu Hause bleiben. Sie befürchtet, daß Sie, sobald Sie entlassen sind, unverzüglich zu Ihrer Dienststelle hetzen. Also hat sie uns ersucht, Sie ein paar Tage länger hierzubehalten.«
Ich weiß nicht, wie ich reagieren soll.
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