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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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irgendwelchen Freunden stammen, und die zugehörigen Finger und Menschen können wir mit der Laterne suchen. »Und was ist mit den Schuhabdrücken?«
    »Vermutlich von Herrenschuhen, Größe 43 und 44.«
    »Hast du mit dem Schiedsrichterverband gesprochen?«
    »Ja, ein gewisser Chatzidimitriou erwartet uns schon.«
    »Schön, fahrt hin und vernehmt ihn. Und bringt mir die Unterlagen über Petroulias her.« Ich nehme zwar keinen Erholungsurlaub, doch die ganze Fronarbeit muß ich mir auch nicht aufbürden.
    Sie sind gerade bei der Tür angelangt, als mir eine Idee kommt. »Sagt mal, ist Sotiropoulos draußen?«
    »Mir scheint, irgendwo habe ich ihn heute schon gesehen«, meint Vlassopoulos.
    »Gib ihm Bescheid, daß ich ihn sprechen möchte. Aber diskret, ohne daß die anderen was merken.«
    Bis er Sotiropoulos auftreibt, trinke ich meinen restlichen Kaffee und versuche darüber nachzudenken, was mir die bisherigen Erkenntnisse zu Petroulias’ Person eigentlich bringen. Er besaß ein Dachgeschoß, das an die sechzig Millionen gekostet haben mußte, eine Dreizimmerwohnung, die, vorsichtig veranschlagt, etwa dreißig Millionen wert ist, er fuhr einen Audi 80, gab seine jährlichen Einkünfte mit vier Millionen an und warf die Hälfte davon für eine Inselkreuzfahrt hinaus. Wer einen solchen Lebensstandard pflegt, hat sein Todesurteil schon so gut wie unterschrieben. Früher oder später wird er umgebracht und uns, den Pfuschern mit den vierzehn Monatsgehältern, aufgebürdet. Der einzige Vorteil, den wir gegenüber Leuten wie Petroulias haben, sind unsere Kuraufenthalte. Die ich Vollidiot zu allem Überfluß in den Wind schlage.
    Die Blonde bildet mein zweites Problem. Wenn wir sie nur irgendwie ausfindig machen könnten! Aber mein kleiner Finger sagt mir, daß wir den Mörder finden, bevor wir die Blonde drankriegen.
    »Wieso wollen Sie mich unter vier Augen sprechen?« fragt mich Sotiropoulos skeptisch. »Wollen Sie mich etwa als Berater engagieren?«
    »Nein, aber ich brauche Ihre Hilfe. Können Sie mir einen Ihrer Sportredakteure vermitteln, damit er mich über einige Dinge aufklärt?«
    »Den kann ich Ihnen schon vermitteln, nur –«
    »Nur?«
    »Was springt dabei für mich raus?«
    »Wenn etwas Weltbewegendes dabei zutage kommt, werden Sie es als erster erfahren, da Sie ja dabeisein werden.«
    »Richtig, wieso habe ich nicht gleich daran gedacht«, sagt er. »Montag morgen um zehn Uhr ist er in Ihrem Büro.«
    Ich bin sicher, daß mir eine Unterredung mit dem Sportredakteur von Sotiropoulos’ Fernsehsender mehr nützt als alle Unterlagen des Schiedsrichterverbandes.

22
    E ineinhalb Tage, den ganzen Samstag und den halben Sonntag, hat mich das intensive Studium von Petroulias’ Unterlagen gekostet. Ich hatte alles vor mir liegen: Schiedsrichterlizenz, Lebenslauf, Liste der von ihm geleiteten Spiele, interne Beurteilungen – doch ich kam auf keinen grünen Zweig. Vielleicht, weil an den Unterlagen nichts auszusetzen war, oder möglicherweise, weil ich in Sachen Fußball eine absolute Niete bin – keine Ahnung. Da ich in meiner Wohnung über keinen eigenen Schreibtisch verfüge, lasse ich mich, was bisweilen notwendig wird, mit meinen Papieren am Küchentisch nieder. Im Schlafanzug, aus Gründen der Bequemlichkeit. Adriani steckte ständig den Kopf herein, als hätte sie dringend in der Küche zu tun, wich nicht von meiner Seite und quengelte den lieben langen Tag: Ich würde die Ratschläge meines Arztes nicht befolgen und wieder meinen Kopf durchsetzen, ich würde mich überanstrengen und es förmlich darauf anlegen, in Kürze mit einem Infarkt darniederzuliegen. Infarkt – Verstopfung eines Körperkanals, bes. durch die Blutstauung , wie es schon bei Hippokrates heißt. Schließlich drohte ich ihr, meine Siebensachen zu packen und ins Büro überzusiedeln, um meine Ruhe zu haben, worauf sie endlich den Mund hielt.
    Chatzidimitriou vom Athener Schiedsrichterverband hatte Vlassopoulos und Dermitzakis erzählt, daß Petroulias’ Leistung als Schiedsrichter nicht sehr ausgewogen war. Immer wenn er gerade eine herausragende Vorstellung geboten hatte und mit Volldampf auf eine Beförderung in die nächsthöhere Liga zuzusteuern schien, verhielt er sich plötzlich unmöglich auf dem Spielfeld und wurde in der Rangliste weit nach hinten geworfen. Deshalb war er zehn Jahre lang in der dritten Liga klebengeblieben. Die Möglichkeit, daß Petroulias sich kaufen ließ, wies Chatzidimitriou kategorisch von sich, schon

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