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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Kind.«
    »Wennschon. Er wird eine andere finden und darüber hinwegkommen. Frauen haben eine Schwäche für kräftig gebaute Typen.« Sie spricht, als hätte sie jahrelang mit einem dürren Asketen zusammengelebt.
    »Das meinst du doch nicht im Ernst«, beharre ich. »Du kannst doch nicht Knall auf Fall einen Menschen verlassen, nur weil du dich plötzlich in einen anderen verliebt hast und der dich zur Trennung drängt.«
    Letzteres spreche ich aus, weil ich ein Volltrottel bin und, wie es alle Eltern tun, mir einzureden versuche, daß meine Tochter zu diesem unwürdigen Verhalten gezwungen wurde. Die Antwort erfolgt prompt und läßt keinen Zweifel aufkommen. »Laß Fanis aus dem Spiel, ihn trifft keine Schuld. Von Panos hätte ich mich so oder so getrennt. Wir waren vier Jahre zusammen. Die ersten zwei ging alles gut, dann aber wurde ich immer mehr in die Mutterrolle gedrängt. Ich mußte ihm beim Lernen helfen und ihm in der Prüfungszeit Händchen halten. Ich hatte die Nase voll! Fanis hat das Ende der Beziehung nur beschleunigt! Und im Endeffekt«, fügt sie mit einem Gesichtsausdruck hinzu, der keinen Widerspruch duldet, »treffe ich ganz allein die Entscheidungen über mein Privatleben. Darüber entscheidet weder Fanis noch Panos, noch sonst irgend jemand.«
    »Sonst irgend jemand« bin ich.
    »Du konntest doch Panos nie leiden. Was ist plötzlich in dich gefahren, daß du so leidenschaftlich für ihn Partei ergreifst?« Adriani hat sich ein Herz gefaßt und mischt sich in das Gespräch ein.
    »Tja, das war ja wohl seine Absicht«, meint Katerina zu ihr. »Ihn in Aufregung zu versetzen und auf seine Seite zu ziehen.«
    Sie nähert sich mir von hinten, legt ihre Arme um mich und küßt mich auf den Scheitel wie ein kleines Kind. »Weißt du was?« sagt sie, während sie sich noch tiefer beugt, um mir in die Augen zu sehen. »Ich bin froh, daß es so gekommen ist. Schon tagelang habe ich mir den Kopf zerbrochen, wie ich es dir beibringen soll.«
    Sie drückt mir einen weiteren Kuß auf die Wange. Ich drehe mich um und sehe ihr nach, wie sie durch die Tür verschwindet. Adriani kehrt nicht wieder in Fräulein Chrysanthis Haltung zurück, sondern grinst mich schüchtern an. Jetzt, wo Katerina weg ist, bibbert sie vor meinem Wutausbruch. Liebend gern würde ich meinem Impuls nachgeben, doch ich bemühe mich, die Nerven zu behalten. Hier geht es schließlich um unsere Tochter, und diesbezüglich müssen wir uns ernsthaft und mit der gebotenen Ruhe unterhalten.
    »Schämst du dich denn gar nicht?« sage ich. »All das läuft hinter meinem Rücken ab, und du läßt kein Sterbenswörtchen verlauten?«
    »Sie hat mich darum gebeten. Sie wollte es dir selbst sagen.«
    »Und bis es endlich soweit war, hast du ihr die Stange gehalten, damit sie Panos abservieren und Ousounidis in die Arme fallen konnte.«
    »Ich begreife nicht, warum du herumnörgelst. Panos ist ein netter Junge, keine Frage, aber was für eine Zukunftsperspektive hat ein Landwirt? Er kann höchstens eine Baumschule eröffnen oder einen Posten im Landwirtschaftsministerium ergattern, wo er dann Weinberge und Brokkolifelder beaufsichtigt. Während Fanis Arzt ist …«
    »Bist du bei Trost, dumme Ziege?« sage ich. »Sie kennen sich nicht einmal zehn Tage, und du denkst schon ans Heiraten?«
    »Daran denke ich nicht, doch falls – ich betone: falls – es darauf hinauslaufen sollte, kann man davon ausgehen, daß Fanis als Stationsarzt dreihunderttausend im Monat nach Hause trägt. Plus die Geldbriefchen, die ihm die Patienten noch zusätzlich zustecken –«
    »Was denn für Geldbriefchen?« unterbreche ich sie unwirsch, weil mir die Haare mittlerweile zu Berge stehen. »Nimmt er Privatspenden entgegen?«
    »Keine Ahnung, doch ich nehme es an. Heutzutage nehmen alle Ärzte von den Patienten Geld. Was erwartest du denn von ihm? Daß er nein sagt und für seine Kollegen zum roten Tuch wird?«
    Richtig. Er ist nicht so einer wie ich, der in seiner grenzenlosen Beschränktheit nicht einmal eine Kur beantragt und sich dadurch selbst als schwarzes Schaf brandmarkt. Ein Verdacht kriecht in mir hoch, und ich springe aus dem Sessel.
    »Rück mit der Sprache raus«, sage ich erbost. »Hast du ihm auch ein solches Geldbriefchen zugesteckt?«
    »Ich hätte es getan, aber es war nicht notwendig«, antwortet sie kaltblütig. »Er kam ohnedies ständig angelaufen, um Katerina zu sehen.«
    »Jedenfalls gehe ich nicht mehr zu Ousounidis«, verkünde ich mit Nachdruck.

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