Nachtflamme: Roman (German Edition)
vor dem Bürgerkrieg, oder?«
»Achtzehnhundertfünfzig«, bestätigte Jo. »Das weißt du doch.«
»Ja, aber ich habe mich gefragt, ob es nicht vielleicht noch auf einem älteren Gebäude errichtet worden ist.«
»Möglich«, antwortete sein Vater. »Der Steinschuppen draußen ist auf jeden Fall älter, und früher gab es hier bestimmt noch andere Gebäude.«
»Ja, genau. Ich weiß noch, dass du dich mal mit der Geschichte befasst hast.«
»Ja.« Jo blickte ihren Sohn an. »Hier wurde schon Ackerbau betrieben, bevor der weiße Mann kam und das Land an sich riss.«
»Ich meine nicht die Indianer oder ihre Ausbeutung durch die Einwanderer.« Das Thema wollte er jetzt nun wirklich nicht mit seiner Mutter diskutieren. »Ich bin vielmehr daran interessiert, was ihr über die Siedler wisst.«
»Als Hollow gegründet wurde«, erwiderte Jo. »Als Lazarus Twisse kam.«
»Ja.«
»Ich weiß, dass das Land damals bearbeitet wurde. Die Gegend hier wurde als Hollow Creek bezeichnet. Ich habe Unterlagen darüber. Warum willst du das wissen, Fox? Wir sind hier nicht in der Nähe des Heidensteins, wir sind außerhalb der Stadt.«
»Wir glauben, dass Ann Hawkins hier gewohnt und ihre Söhne zur Welt gebracht hat.«
»Auf dieser Farm?«, fragte Brian. »Wie kommt ihr darauf?«
»Ich habe euch ja erzählt, dass sie Tagebücher geschrieben hat. Aber wir haben keine Aufzeichnungen aus den zwei Jahren, in denen sie Hollow verlassen hat – oder angeblich verlassen hat. Wenn wir sie finden könnten …«
»Aber das war vor dreihundert Jahren«, warf Jo ein.
»Ja, sicher, wir müssen es trotzdem versuchen. Wenn wir morgen ganz früh vorbeikommen könnten, noch bevor ich die ersten Termine habe …«
»Du weißt doch, dass du nicht zu fragen brauchst«, sagte Brian. »Wir sind hier.«
Jo schwieg einen Moment. Dann stand sie auf. »Ich hole den Cobbler.« Sie streichelte ihrem Sohn über die Schulter und trat an die Anrichte.
Er hätte am liebsten alles von seiner Familie ferngehalten. Als er im Morgengrauen die vertrauten Straßen zur Farm fuhr, sagte Fox sich immer wieder, dass diese Suche seine Familie nicht weiter hineinziehen würde. Selbst wenn sie beweisen konnten, dass Ann tatsächlich dort gelebt hatte, änderte das doch nichts an der Tatsache, dass die Farm sicher war.
Keine ihrer Familien war jemals heimgesucht worden, keiner von ihnen war bedroht worden. Daran würde sich nichts ändern. Die Vorfälle wurden immer schlimmer und ereigneten sich früher, aber seine Familie blieb sicher.
Er hielt vor dem Haus. Direkt hinter ihm kamen Cal und Gage.
»Ich habe zwei Stunden Zeit«, sagte er zu ihnen, als sie alle ausgestiegen waren. »Wenn wir mehr brauchen, kann ich versuchen, ein paar Termine zu verschieben. Sonst müssen wir eben bis morgen warten.«
»Wir schauen mal.« Cal trat beiseite, damit Lump und die beiden Hunde der Familie sich beschnüffeln und miteinander bekannt machen konnten.
»Da kommt die Östrogen-Fraktion.« Gage wies mit dem Kinn zur Straße. »Ist deine Freundin bereit, in die Vergangenheit zu gehen, Hawkins?«
»Sie hat ja gesagt.« Cal trat ans Auto und zog Quinn auf die Seite, als die Frauen ausstiegen. »Ich weiß nicht, ob ich dir heute helfen kann.« Er küsste sie. »Ich werde natürlich tun, was ich kann, aber Tatsache ist, ich gehe hier ein und aus, habe in diesem Haus geschlafen, gegessen, gespielt, mitgeholfen. Es war mein zweites Zuhause, aber ich habe nie etwas von der Vergangenheit oder von Ann mitbekommen.«
»Giles Dent war ja auch nicht hier – und auch nicht die Hüter, die vor ihm kamen. Jedenfalls nicht, soweit wir wissen. Wenn Ann hier gelebt hat, dann kam sie ohne Dent und war auch noch hier, als er schon tot war. Das hier ist meine Aufgabe, Cal.«
»Ich weiß.« Er küsste sie erneut. »Aber streng dich nicht zu sehr an, Blondie.«
»Es ist ein wundervolles Haus«, sagte Layla zu Fox. »Einfach ein wundervoller Ort, nicht wahr, Cybil?«
»Wie ein Gemälde von Pisarro. Was für Landwirtschaft habt ihr hier, Fox?«
»Biologischer Anbau. Im Moment sind sie sicher bei den Tieren.«
»Kühe?«, fragte Layla und ging neben ihm her aufs Haus zu.
»Nein, Ziegen, wegen der Milch. Hühner, wegen der Eier. Bienen für den Honig. Gemüse, Kräuter, Blumen. Alles wird verwendet, und was übrig bleibt, wird verkauft oder getauscht.«
Es roch nach Tieren, fand Layla, exotisch für ihre an die Stadt gewöhnte Nase. Am Ast einer alten Platane hing ein Autoreifen an einem
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