Nachtflamme: Roman (German Edition)
sind. Ich muss erst wissen, wovon du geredet hast.«
»Es ist ja nur eine Überlegung. Ann hat geschrieben, dass Dent etwas tun wollte, was vor ihm noch kein anderer Hüter getan hatte, und dass er dafür den Preis bezahlen müsste. Die Hüter sind die Guten, oder? So haben wir sie immer gesehen, auch Dent. Weiße Magie. Aber selbst weiße Magie kann in die Grauzone geraten. Oder auch darüber hinaus. Ich sehe es jeden Tag bei meiner Arbeit. Was Menschen so alles tun, wenn sie nur verzweifelt genug sind, wenn sie glauben, keine andere Wahl zu haben. Blutopfer. Das gehört normalerweise zur schwarzen Magie.«
»Das Reh, das Quinn letzten Winter im Traum gesehen hat, das mit aufgeschlitzter Kehle im Wald lag. Das Blut der Unschuldigen. Davon hat sie geschrieben. Wir haben vermutet, dass Dent das Tier geopfert hat. Aber du hast gesagt, ein Menschenopfer.«
»Glaubst du, dass ein geopfertes Reh Dent die Macht verliehen hätte, Twisse dreihundert Jahre lang festzuhalten? Die Macht, seine Aufgabe an Cal, Gage und mich zu übertragen? Das habe ich mich selbst auch schon gefragt, Layla. Und ich glaube nicht, dass es ausgereicht hat.«
Er schwieg. Es bereitete ihm immer noch leichte Übelkeit, daran zu denken. »Er sagte zu Hester, sie solle weglaufen. In derselben Nacht, in der sie ihn der Hexerei beschuldigte, sagte er zu ihr, sie solle weglaufen. Das hast du gesehen.«
»Ja, das stimmt.«
»Er wusste, was passieren würde. Nicht nur, dass er Twisse ein paar Jahrhunderte lang in eine andere Dimension ziehen, sondern auch, was ihn das kosten würde.«
Layla blickte Fox aufmerksam an. »Die Menschen am Heidenstein.«
»Soweit wir wissen, etwa ein Dutzend. Das ist viel Blut. Das ist ein großes Opfer.«
»Du glaubst, er hat sie benutzt.« Langsam setzte sie sich auf einen Stuhl. »Du glaubst, Dent hat sie getötet.«
»Ich glaube, er hat sie sterben lassen, was dem Gesetz nach nicht das Gleiche ist. Man kann es vielleicht als unterlassene Hilfeleistung bezeichnen, allerdings hat eine Absicht dahintergesteckt. Er hat ihren Tod benutzt.« Fox’ Stimme klang gepresst. »Ich glaube, er hat das Feuer – die Fackeln, die sie dabeihatten, und das Feuer, das er entzündet hat, benutzt, um den Boden zu verbrennen – und das hat noch kein Hüter vor ihm getan.«
Layla war blass geworden, und ihre Augen leuchteten unheimlich grün. »Wenn das stimmt, was macht das dann aus ihm? Was macht es aus uns?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht sind wir alle verdammt.«
»Wir sind immer davon ausgegangen, dass Twisse den Tod all dieser Menschen in jener Nacht verursacht hat.«
»Vielleicht stimmt es ja auch, zumindest teilweise. Wie viele von ihnen wären denn überhaupt zum Heidenstein gegangen, um Giles Dent und Ann Hawkins zu töten, wenn sie nicht unter dem Einfluss von Twisse gestanden hätten? Aber wenn wir uns noch einmal in die Grauzone begeben, ist es dann nicht möglich, dass Dent auch Twisse benutzt hat? Laut den Tagebüchern wusste er ja, was kam. Er schickte Ann weg, um sie und ihre Söhne zu schützen. Er gab sein Leben – weiße Magie. Aber wenn er auch den anderen ihr Leben nahm, dann klebt auf einmal jede Menge Blut an der weißen Magie.«
»Es ergibt Sinn, so schrecklich es auch sein mag.«
»Wir müssen es uns auf jeden Fall genauer ansehen, vielleicht wissen wir dann auch, wie wir vorgehen müssen.« Er musterte ihr Gesicht, in dem der Schock deutlich geschrieben stand. »Komm, geh nach Hause.«
»Es ist gerade erst mal zwei Uhr. Ich habe noch zu tun.«
»Ich kann meine Anrufe selbst entgegennehmen. Geh spazieren, lauf ein bisschen an der frischen Luft herum. Oder leg dich hin, nimm ein Schaumbad, was auch immer.«
Langsam stand Layla auf. »Sag mal, was denkst du eigentlich von mir? Dass ich beim ersten Schlag zusammenbreche? Dass ich das alles nicht ertrage? Es mag ja eine Weile gedauert haben, bis ich mich an die Umstände hier gewöhnt habe – aber jetzt brauche ich kein verdammtes Schaumbad mehr, um meine Nerven zu beruhigen.«
»Entschuldige.«
»Unterschätz mich nicht, Fox. Wie verdünnt es auch sein mag, ich habe das Blut dieses Bastards in mir. Es könnte durchaus sein, dass ich auf lange Sicht mit den dunklen Mächten besser klarkomme als du.«
»Möglich. Aber du brauchst nicht von mir zu erwarten, dass ich mir das für dich wünsche. Vielleicht kannst du dir jetzt besser vorstellen, warum ich gestern nichts davon erwähnen wollte. Oder willst du lieber böse auf mich sein?«
Layla schloss
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