Nachtflamme: Roman (German Edition)
die Augen, um sich zu beruhigen. »Nein. Du hast ja recht. Ich kann es mir jetzt besser vorstellen.« Und ihr wurde auch klar, was Quinn mit ihrer Warnung gemeint hatte. Ihre Beziehung stand unter einer großen Belastung, wenn sie alles miteinander vereinbaren wollten.
»Es ist schwer, diese unterschiedlichen Bereiche zu trennen«, sagte sie vorsichtig. »Und es wird noch schwieriger, wenn die Grenzen verschwimmen. Du hast eben gesagt, du wärst überwältigt. Ich bin von dir auch überwältigt, Fox, und deshalb verliere ich ständig das Gleichgewicht.«
»Seit ich dich kenne, habe ich meins noch nicht wiedergefunden. Ich werde versuchen, dich aufzufangen, wenn du stolperst, aber du musst das auch für mich machen.«
Sie blickte auf die Uhr. »Oh, jetzt habe ich fast meine Mittagspause versäumt. Es sind nur noch zwei Minuten übrig. Na, die will ich lieber mal ausnutzen.«
Sie trat um den Schreibtisch herum und beugte sich zu ihm herunter. »Du hast jetzt übrigens auch Pause, deshalb ist die Kanzlei in den nächsten dreißig Sekunden geschlossen.« Sie umfasste sein Gesicht und küsste ihn.
Und so seltsam es klingen mochte, dachte sie, aber hier fand sie ihr Gleichgewicht wieder.
Als sie sich aufrichtete, griff sie kurz nach seiner Hand, dann löste sie sich von ihm. »Mrs Mullendore möchte gerne mit dir sprechen. Ihre Nummer liegt auf dem Schreibtisch.«
»Layla«, sagte er, als sie zur Tür ging. »Ich werde deine Pausen verlängern müssen.«
Sie lächelte ihm zu, und als Fox alleine war, saß er ganz still an seinem Schreibtisch und dachte darüber nach, was ein guter Mann, ja, selbst der beste aller Männer, tun würde, wenn alles, was er liebte, in Gefahr war.
Als an diesem Abend die sechs in dem spartanisch eingerichteten Wohnzimmer des Mietshauses saßen, las Fox ihnen die Passagen aus dem Tagebuch von Ann vor, die ihn auf die Idee gebracht hatten. Er legte ihnen seine Theorie dar.
»Himmel. Fox. Er war ein Hüter.« Man spürte förmlich, wie ablehnend Cal der Idee gegenüberstand. »Er hat sein Leben dem Schutz anderer verschrieben. Ich habe doch gefühlt, was er gefühlt hat, habe gesehen, was er gesehen hat.«
»Aber nicht alles.« Gage ging vor dem Fenster auf und ab, wie er es häufig bei ihren Diskussionen tat. »Du hast nicht das vollständige Bild gesehen, Cal, und ich gehe auch davon aus, dass Dent sein Möglichstes getan hat, um das so lange wie möglich geheim zu halten.«
»Aber warum ließ er dann Hester gehen?«, wollte Cal wissen. »Sie war doch in gewisser Weise die Unschuldigste, zugleich aber auch die Gefährlichste für ihn.«
»Weil es uns geben musste.« Cybil blickte Quinn und Layla an. »Wir drei mussten geboren werden, deshalb musste Hesters Kind ebenfalls überleben. Das hat etwas mit Macht zu tun. Der Hüter hielt sich in jedem Leben – soweit wir wissen – an die Regeln und konnte nie gewinnen. Er konnte den Dämon nie völlig aufhalten.«
»Und er wurde immer menschlicher«, fügte Layla hinzu. »Darüber habe ich heute nachgedacht. Mit jeder Generation wurde er menschlicher, bekam immer mehr menschliche Schwächen. Aber Twisse blieb so, wie er ursprünglich war. Wie lange hätte Dent noch kämpfen können? Wie viele Leben hatte er?«
Fox nickte. »Also griff er zu der Art von Waffen, die Twisse immer schon benutzt hatte.«
»Tötete er die unschuldigen Menschen, um Zeit zu gewinnen? Damit er auf uns warten konnte?«
»Es ist schrecklich.« Quinn griff nach Cals Hand. »Es ist schrecklich, darüber nachzudenken. Aber ich glaube, es bleibt uns nichts anderes übrig.«
»Wenn man es also auf den Punkt bringt, seid ihr Nachfahren eines Dämons, und wir stammen von einem Massenmörder ab.« Cal schüttelte den Kopf. »Na, das ist vielleicht eine Mischung.«
»Wir sind das, was wir aus uns machen.« Cybils Einwurf klang ein wenig hitzig. »Wir alleine entscheiden, was wir sind. War es richtig, was er getan hat? War es gerechtfertigt? Ich weiß es nicht, aber ich will es auch nicht beurteilen.«
Gage drehte sich um. »Und was haben wir?«
»Wir haben Tagebücher, einen in drei gleiche Teile zerbrochenen Stein, einen Kraftplatz im Wald. Wir haben Verstand und Mut«, erwiderte Cybil. »Und bevor wir das alles zusammennehmen und den Bastard töten, liegt noch einiges an Arbeit vor uns.«
13
Fox fand, es gab Zeiten, da musste ein Mann mit seinen Freunden zusammen sein. Es war nichts weiter passiert, seit Block ihn auf dem Platz zusammengeschlagen hatte,
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