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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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gleichzeitig eine ebenso wilde Enttäuschung darüber, dass er so machtlos war.
    Sylph holte tief Luft und kletterte weiter. Offensichtlich wollte sie nicht mehr darüber reden. Dämmer kletterte hinterher und merkte, dass vom Ast über ihnen drei neugeborene Baumrenner sie mit großen, neugierigen Augen betrachteten. Einer von ihnen grüßte sie mit einem Hallo und stellte sich als Schreiter vor. Dämmer freute sich über die Gelegenheit, sich mit ihnen zu unterhalten. Sie sahen so freundlich aus, dass seine anfängliche Scheu schnell verflog.
    »Ich wünschte, ich könnte auch gleiten«, sagte Schreiter.
    Dämmer musste lachen. »Ich wünschte, ich hätte Hände wie du.«
    »Ehrlich?«, fragte Schreiter und betrachtete seine linke Hand, als hätte er sie nie zuvor gesehen.
    »Du kannst Sachen richtig gut halten«, sagte Dämmer. »Das muss sehr nützlich sein.«
    »Ich denke schon. Aber du kannst durch die Luft segeln. Das ist fast so gut wie fliegen.«
    Dämmer blickte schnell zu Sylph, um sie davon abzuhalten, gleich damit herauszusprudeln, dass er tatsächlich fliegen konnte.
    »Kann ich sie mal sehen, eure Flügel?«, fragte Schreiter höflich.
    »Segel«, verbesserte Sylph. »Hast du noch nie Chiropter gesehen?«
    »Vielleicht einmal«, sagte Schreiter unsicher.
    Dämmer breitet entgegenkommend seine Flügel aus. Mit großem Eifer betrachtete Schreiter an der Unterseite, wie sich Arme und Finger abzeichneten.
    »Die sind ja wie Hände«, sagte Schreiter aufgeregt, »aber mit richtig langen Fingern und Haut darüber.« Er blickte von Sylph zurück zu Dämmer. »Aber wie kommt es, dass deine Segel anders sind als die von den anderen?«
    »Bist du eine Art Missgeburt?«, fragte einer von Schreiters Kameraden.
    »Halt den Mund, Knoll!«, sagte Schreiter zu seinem Freund.
    »Ich bin einfach anders«, erwiderte Dämmer.
    »Ich würde lieber Segel als Hände haben«, stellte Schreiter fest.
    Dämmer lächelte über die gutmütige Unbekümmertheit des Baumrenners, doch er selbst konnte sich nicht vorstellen, irgendetwas anderes zu sein als das, was er war. Er wünschte sich nur, er müsste nicht die ganze Zeit verbergen, was seine Segel wirklich zu tun vermochten.
    »Stimmt es, dass ihr die ganze Zeit nur Insekten esst?«, fragte der dritte Neugeborene und machte damit zum ersten Mal den Mund auf.
    »Eigentlich schon – warum?«, fragte Sylph wachsam, als würde sie mit einer Beleidigung rechnen.
    »Wird das nicht langweilig?«
    »Hier gibt es so viele Insekten, Springer«, sagte Schreiter, als ob sein Freund ein bisschen einfältig wäre. »Sie essen wahrscheinlich Hunderte am Tag.«
    »Sogar Tausende«, bestätigte Sylph.
    Springer sah aus, als würde ihm bei dieser Information ein bisschen übel.
    »Wir essen auch Pflanzen und Samen«, fügte Dämmer hinzu, der nicht weltfremd erscheinen wollte.
    »Hast du das hier schon versucht?«, fragte Schreiter und hob ein schmales, grünes Blatt hoch, das er hinter seinem Rücken verborgen haben musste. Das Blatt war fein geädert und hatte einen leicht gezackten Rand. In Schreiters Augen lag ein Schimmer von Übermut.
    »Ich glaub nicht«, sagte Dämmer. »Nein.«
    »Dann solltest du das mal probieren«, sagte Knoll. »Gib es rüber, Schreiter.«
    Schreiter blickte sich verstohlen um und nahm einen winzigen Bissen, ehe er das Blatt an Knoll weitergab, der dasselbe machte. Springer kicherte und biss ebenfalls etwas ab.
    »Was ist das?«, fragte Dämmer misstrauisch.
    Schreiters Flüstern war kaum zu verstehen. »Das ist Tee.«
    »In unserem alten Wald ist der überall gewachsen«, sagte Sylph etwas wehmütig.
    »Aber habt ihr es jemals probiert?«, fragte Knoll. Seine Augen schienen jetzt ein bisschen größer als vorher zu sein und seine Zehen trommelten auf der Rinde.
    »So was essen Chiropter nicht«, gab Dämmer zu.
    »Was für ein Jammer, was für ein Jammer«, sagte Schreiter. Er sprach schnell. »Das ist echt gut.«
    »Unsere Eltern wollen nicht, dass wir das essen«, räumte Springer ein. »Sie sagen, das macht uns zu angeregt.«
    »Zu aufgeregt«, verbesserte Schreiter.
    »Ist schwer, danach einzuschlafen«, fügte Knoll hinzu und sein Blick huschte in der Gegend umher. »Aber es macht viel Spaß, solange es wirkt.«
    Alle drei Neugeborenen Baumrenner hüpften nun zappelig auf dem Ast herum, als könnten sie ihre Körper nicht ruhig halten.
    »Versuch’s doch mal«, sagte Schreiter und fuchtelte mit dem Blatt vor Dämmers Nase herum.
    Dämmer zögerte und

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