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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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Klauen und die lautlosen Flügel, doch er war überzeugt davon, dass sie seinen Muskeln, Krallen und Zähnen nicht gewachsen waren.
    Fast den ganzen Morgen war das Gelände beständig angestiegen, und seine Meute wurde immer langsamer, als sie sich der Kuppe näherten. Reißzahn genoss die lange Wanderung. Sie erinnerte ihn an die Tage, als er mit Panthera Sauriernester gejagt hatte, wobei sie endlos erscheinende Strecken zurückgelegt hatten, um diese aufzustöbern.
    Auf der Kuppe des Hügels legten sie eine Pause ein. Vor ihnen tauchte das Land in ein Tal ab. Unten plätscherte ein kleiner Fluss durch dichtes Unterholz. Das dürfte eine ergiebige Futterstelle für kleine Grundlinge bieten, dachte Reißzahn. Auf beiden Hängen standen große Bäume, von denen viele Früchte trugen und die Luft mit Duft erfüllten. Er entdeckte immer mehr Baumbewohner. Die Rinde sah weich aus, günstig, um den Krallen einen Halt zu geben, und die Äste waren dicht verflochten, gute Baumwege für seine Feliden.
    Wie verzaubert starrte Reißzahn auf diese Aussicht. Er empfand eine Zufriedenheit wie zuletzt beim Zerstören des letzten Sauriernests. Er fühlte sich entspannt, vollkommen Herr über sein Leben. Hier gab es Wasser, Unterschlupf und massenhaft Beute.
    »Das hier«, verkündete er, »ist unser neues Revier.«
     

Kapitel 17
Das Festmahl
    I n der Nacht erwachte Dämmer von einem entfernten Schrei. Sein ganzer Körper spannte sich fluchtbereit an und ihm wurde schlecht. Zitternd kroch er bis an den Rand des Asts und versuchte sich zu erinnern, aus welcher Richtung der Schrei gekommen war. Im Wald ist ein Ungeheuer . Schreiters kindliche Behauptung erschien plötzlich schrecklich glaubwürdig.
    Er stieß lange Klangketten aus, empfing jedoch keine Anzeichen von Bewegung zwischen den Bäumen. Er lauschte und hoffte inständig, er würde nicht noch einen weiteren Schrei, aus näherer Entfernung, hören. Doch der Wald blieb still. Er legte sich wieder hin und sein Pulsschlag beruhigte sich langsam. Sylph schlief noch, genau wie sein Vater. Mit dem Blick auf ihre friedlichen Gesichter döste er allmählich wieder ein.
    Als er wieder erwachte, war es Morgen, und sein Vater neben ihm wachte ebenfalls gerade auf.
    »Wie geht es dir?«, fragte Dämmer.
    »Besser«, antwortete Ikaron und diesmal glaubte ihm Dämmer. Sein Vater sah eindeutig erholter aus. Er hatte die harten Krusten aus grünem Brei entfernt, und die Wunde wirkte kleiner und sah eindeutig weniger bösartig aus.
    »Adapis hat mir die Zutaten dagelassen«, sagte er und wies mit einem Nicken auf ein Häufchen von zerkrümelten Blättern und Rinde. »Würdest du sie bitte vorbereiten?«
    Dämmer nickte und fing etwas beklommen an, die Rinde zu kauen. Sie schmeckte bitter, aber nicht unangenehm.
    »Was glaubst du, woher sie das alles wissen?«, fragte er mit vollem Mund.
    »Einiges sicher durch Zufall. Sie essen viele verschiedene Pflanzen. Mit der Zeit, vermute ich, haben sie welche entdeckt, die heilen können.«
    Dämmer mischte die Rinde mit den Blättern, kaute wieder und ließ dann alles auf die Wunde seines Vaters träufeln. Ikaron grunzte dankbar.
    »Vielen Dank, Dämmer.«
    Dämmer spuckte den Rest aus und leckte an einem feuchten Blatt, um den Geschmack aus dem Mund zu bekommen.
    Er war so froh, dass es seinem Vater besser ging, und er hatte keine Lust, den Schrei in der Nacht zu erwähnen. Niemand sonst war davon aufgewacht, und wahrscheinlich war es nur ein Tier gewesen, das nachts aktiv war und sein Gebiet verteidigt oder um Futter gekämpft hatte. Und nachts klang sowieso alles lauter und erschreckender.
    Dämmer brach zum Jagen auf. Als er sicher war, dass niemand ihn sehen konnte, flog er. Er wollte die Baumrenner nicht plötzlich gegen sich aufbringen, nachdem sie seiner Kolonie gegenüber so gastfreundlich waren, doch er musste einfach fliegen.
    Seine Gemütsverfassung hob sich mit jedem Schlag seiner Segel. Bald würden sie ein neues Zuhause haben, vielleicht sogar hier. Beim Fliegen jagte er, schnappte sich die Insekten aus der Luft. Dann landete er auf einem Ast und blickte sich um. Es war ein wunderschöner Wald, die Rinde der Bäume war weich, von einem matten Rot und wie von Wellen geformt. Der Sonnenschein ließ die Blätter glänzen und erwärmte an vielen Stellen den Waldboden. Er hatte gar nicht darauf geachtet, wie weit er sich von den anderen entfernt hatte.
    Plötzlich stieg mächtiger Kotgestank zu ihm empor und ließ sein Nasenflügel zucken.

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