Nachtflügel
Chiropter stürzten auf die Erde. Dämmer flog auf und erblickte Sylph, die mit ausgebreiteten Segeln auf den Waldboden glitt. Er ließ sich fallen und landete neben ihr. Die Füße der Bestie, die entsetzlich hoch über ihnen aufragte, waren keine zwei Meter entfernt.
»Beeil dich!«, sagte Dämmer und krabbelte neben Sylph auf den Stamm des nächsten Baums zu.
Für einen kurzen Augenblick war das Gesicht der Bestie abgewandt, während es die bewusstlosen Chiropter aufpflückte und sich in den Hals schüttete. Sylph und Dämmer erreichten den Baumstamm und kletterten los.
»Flieg doch einfach«, fauchte Sylph ihn an.
»Ist schon in Ordnung.« Er musste sich anstrengen, um mit ihr mitzuhalten.
Die Bestie stieß laut den Atem aus. Dämmer blickte zurück und sah, wie sie den Festmahlbaum anstarrte. Die untersten Äste waren alle fast leer. Voller Erleichterung sah er, dass die meisten Chiropter, so benommen sie auch noch waren, es geschafft hatten, außer Reichweite des tödlichen Schnabels zu klettern.
»Das ist kein Festmahl!«, kreischte die Bestie.
Sie drehte sich um und war still. In der tiefen Dämmerung war sich Dämmer nicht sicher, wohin sie blickte. Er schickte einen Klang los und das Echo zeigte das Monster. Sein Kopf war direkt auf ihn gerichtet, die Augen funkelten. Das Bild verschwamm, als die Bestie auf sie zustürzte.
»Kletter weiter!«, rief er Sylph zu, sprang in die Luft und breitete die Segel aus.
Er musste Zeit gewinnen, damit Sylph nach oben entkam.
»He! Schau her!«, schrie er und flatterte auf die Bestie zu.
Ihr Kopf zuckte hin und her, als er immer wieder an ihr vorbeiflog. Doch dann schlug sie zu. Auf ihre Reichweite war er nicht gefasst gewesen. Der Schnabel raste auf ihn zu, Dämmer bremste blitzschnell ab und rollte zur Seite. Der ranzige Atem der Bestie schlug über ihm zusammen und der Schnabel klemmte seine linke Flügelspitze ein und riss ihn herum.
Dämmer knallte gegen den Hals der Bestie. Ihre fettigen Federn waren dicht und für einen Moment verhedderten sich seine Krallen darin. Die Bestie wirbelte herum und versuchte, ihn aufzuspießen. Dämmer schaffte es, die Krallen freizubekommen, schlug mit den Segeln und hob ab. Die Stummelflügel der Bestie flatterten und sie kreischte vor Enttäuschung.
Dämmer war nun vorsichtig. Er kreiste hoch über dem Kopf der Bestie und bombardierte sie mit Beleidigungen, bis sie vor Wut aus dem Schnabel schäumte. Sie sprang nach ihm, war aber viel zu schwer, um ihn zu erreichen. Als er annahm, dass Sylph hoch genug war und sich nicht mehr in der Gefahrenzone befand, flog Dämmer zurück zum Baum. Sie war in Sicherheit. Außer Atem ließ er sich neben ihr nieder.
Die Bestie raste zurück zum Festmahlbaum und suchte nach bewusstlosen Chiroptern, die ihr bisher entgangen waren. Sie bog ihren muskulösen Hals nach hinten und stierte hinauf zu den Überlebenden, die sich nun außerhalb ihrer Reichweite befanden, dann stieß sie einen grellen Triller aus, der Dämmer schmerzhaft in den Ohren gellte.
»Wo ist Papa?«, fragte Sylph.
»Der ist davongekommen, glaube ich. Wir sollten rüber zu den anderen gleiten.«
»Adapis!«, kreischte das Ungeheuer. »Das war kein Festmahl. Du hast mir ein richtiges Festmahl versprochen. Und du wirst mir auch eines vorsetzen! «
»Adapis hat uns an die Bestie da verfüttern wollen?«, rief Sylph aus.
Dämmer nickte unglücklich. »Wir waren das Festmahl.«
Unten gab es die Bestie endlich auf, den Festmahlbaum erklimmen zu wollen. Sie zog kreischend ab und bewegte sich auf die Bäume mit den Nestern der Baumrenner zu. Dämmer spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Er dachte an Schreiter und seine Freunde. Sicher wussten sie noch nichts von den schrecklichen Dingen, die ihre Eltern getan hatten.
»Ich hoffe, das Biest frisst sie alle auf«, murmelte Sylph düster.
»Dämmer! Sylph!«
Es war ihr Vater, der hoch oben aus dem Festmahlbaum rief.
Sie kletterten ein Stück höher und glitten zu ihm hinüber. Glücklich lag Dämmer neben Sylph, eingewickelt in die Segel seines Vaters. Ihr Vater war am Leben. Dämmer wusste nicht, wie viele von ihnen heute Abend umgekommen waren, doch sie drei waren noch am Leben.
»Was war das für ein Vieh?«, fragte Sylph.
»Eine Diatryma«, sagte Ikaron mit vor Erschöpfung heiserer Stimme. »Ein Vogel ohne Flügel.«
»Ein Vogel, der nicht fliegen kann?«, fragte Sylph, von der Vorstellung überrascht.
»Sie beschützt die Baumrenner«, sagte Dämmer und
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