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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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sicher, Dämmer? Wo sind die Baumrenner?«
    »Längst weg. Ich hab Adapis mit einer Bestie im Wald reden sehen. Ich wollte schon viel früher zurück sein und euch warnen, aber sie haben mich erwischt und betäubt. Genau wie euch.«
    Ikaron runzelte die Stirn und rang um seine Erinnerungen. »Wir haben gespeist und …«
    Aufgeschreckt blickte sich sein Vater um, sah die dunklen Umrisse der schlafenden Chiropter, von denen nun viele wach wurden und sich schwerfällig aufrichteten.
    Zwei weitere Fußschritte krachten nun durch die Dunkelheit, jetzt noch lauter. Dann wieder Stille. Was immer es auch war, es war nahe. Dämmer fiel der Kothaufen ein, den er gesehen hatte, und seine Größe. Wieder drohte sich sein Magen umzudrehen.
    »Alle aufwecken!«, brüllte Ikaron. »Sag ihnen, sie sollen nach oben klettern! Wir sind in höchster Gefahr!«
    Er wandte sich um und machte sich daran, die Ältesten aufzuwecken. Dämmer flatterte zum nächsten Ast und weckte noch mehr von seiner Kolonie, er trat, er kniff, schrie sie an, tat alles, was nötig war, um sie aus ihrem unnatürlichen Schlaf zu reißen. Je mehr er aufweckte, desto mehr Helfer bekam er, aber die meisten von ihnen waren vom Gift der Beeren arg geschwächt, und Dämmer befürchtete, dass sie sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen könnten. Die Baumrenner waren so schlau gewesen, das Festmahl auf den unteren Ästen auszurichten, wovon einige sich kaum mehr als einen Meter über dem Waldboden befanden.
    »Zum Stamm!«, schrie er. »Klettert, so hoch ihr könnt!«
    Unerwartet drehte sich der Wind und Dämmers Nasenflügel zuckten bei dem aufkommenden Gestank nach verwesendem Fleisch. Andere mussten das auch gerochen haben, denn er sah, wie viele Chiropter den Kopf wandten und zusammenzuckten.
    Schwere Fußtritte donnerten durch den Wald.
    Dämmer erstarrte und war nicht in der Lage, sich abzuwenden. Äste, Farne und Büsche knickten um, als die Bestie sich ihren Weg aus dem Wald brach.
    Er wusste nicht, was sie war – Vogel, Tier oder Saurier.
    Das Monster ging aufrecht auf zwei enorm stämmigen Beinen. Seine Füße waren die eines Vogels mit drei dicken Fingern und Klauen vorne und einer seltsam gekrümmten Klaue hinten. Sein gigantischer Kopf mit dem tödlichen Schnabel wirkte zu groß für den Körper. Der muskulöse Körper war dicht behaart, doch Flügel hatte es praktisch nicht – kaum mehr als kleine, gefiederte Stummel, die mit Sicherheit zum Fliegen untauglich waren. Ein dicker Busch zerrupfter Schwanzfedern saß über seinem Hinterteil. Im Stehen ragte es drei Meter in die Höhe und damit ragte sein Kopf noch über die Äste hinaus, auf denen die Chiropter geschlafen hatten. Eine lange Narbe verlief über sein rechtes Bein und beim Rennen hinkte es. Wie eine riesige Duftwolke wogte sein entsetzlicher Gestank vor ihm her.
    Einen Moment lang zögerte das Monster und drehte den Hals, um die Chiropter zu betrachten, die in Angst und Schrecken über die Äste und den Stamm drängelten.
    »Ihr sollt doch schlafen!«, kreischte es und galoppierte auf den Baum zu.
    Verzweifelt blickte Dämmer sich um und versuchte Sylph und seinen Vater zu entdecken, doch er sah jetzt nur noch das Chaos, als entsetzte Chiropter über diejenigen kletterten, die immer noch schliefen.
    Die Bestie erreichte die unteren Äste und griff an, die kraftvollen Schultern vorgereckt, den Hals gestreckt, den Schnabel aufgerissen. Als sie zurücktrat, waren zwei Chiropter auf ihrem gekrümmten Schnabel aufgespießt, die von einer kräftigen, grauen Zunge nach innen geschleudert wurden. Die Bestie schwenkte den Kopf hin und her und ihre Augen blitzten violett. Feuchte Luft zischte aus den Schlitzen in ihrem Schnabel.
    Wieder und wieder schlug das Monster zu, schnappte sich schlafende und wache Chiropter vom Ast. Nichts schien seine wilde Gier stillen zu können. Es wollte mehr. Es wollte alle. Der Baumstamm wirkte wie lebendig von den nach oben kletternden Chiroptern. Andere, die auf den Ästen in der Falle saßen, stießen sich ab und glitten zur Erde, wo sie sich im Unterholz zu verstecken hofften.
    »Klettert nach oben!«, hörte er seinen Vater von links rufen. »Es kann euch nicht nachkommen! Klettert alle nach oben!«
    Dämmer wäre gerne außer Reichweite geflogen, doch nicht, bevor er sich vergewissert hatte, dass Sylph in Sicherheit war. Die Bestie hob den linken Fuß auf den Ast, auf dem Dämmer sich befand, packte ihn mit den Klauen und brach ihn entzwei. Bewusstlose

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