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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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hatten fünf lange Zehen, die nicht in Krallen endeten, sondern in einer flachen Platte, die aussah, als wäre sie aus Knochen. Bei jedem Schritt gab es einen dumpfen Anschlag auf dem Boden.
    Zusammen grasten die beiden Geschöpfe weiter, wobei sie ihr weiches Maul um die Halme schmiegten und dann daran zogen. Ab und zu gaben sie eine Art fröhliches Schnauben von sich. Dämmer sah ihnen gerne zu. Sie schienen sanft zu sein und waren eindeutig klug, denn er bemerkte, dass sie den Kopf nie zur gleichen Zeit senkten. Sie hielten abwechselnd Wache.
    Er hätte gerne mit ihnen gesprochen. Da sie Pflanzenfresser waren, konnten sie kaum gefährlich sein. Andererseits, die Baumrenner waren auch Pflanzenfresser und hatten sich als teuflisch herausgestellt. Doch Dämmer beschloss, die Gelegenheit wahrzunehmen.
    »Wonach haltet ihr Ausschau?«, rief er nach unten.
    »Diatrymas«, sagte das braunschwarze Tier und blickte nur kurz nach oben.
    »Aha«, sagte Dämmer. »Ich hab eine von denen gesehen.«
    »Wo?« Beide blickten bestürzt um sich.
    »Nicht hier. Entschuldigung. Da hinten im Wald, da war eine.«
    »Im Wald?«
    »Sie war verwundet. Eine Sippschaft von Baumrennern hat sie mit Nahrung versorgt.«
    »Schrecklich«, sagte das gescheckte Tier.
    »Meistens halten sie sich im Grasland auf«, sagte das andere und ließ den Blick über die großen Stängel schweifen. »Sie sind schnell.«
    »Gibt es viele davon?«
    »Ja«, sagte das gescheckte Tier.
    Dämmer brauchte einen Moment, um seinen ganzen Mut zusammenzunehmen. »Was seid ihr?«, fragte er dann.
    »Equiden«, sagte das erste. »Ich bin Dyaus und das ist Harf.«
    »Dankeschön«, sagte Dämmer. »Diese Zehen an euren Füßen, sind das …«
    »Hufe.«
    »Heißen die so? Sind sie sehr hart?«
    Dyaus klopfte mit dem Huf auf den Boden und ein zufriedenstellendes Klopfen ertönte. »Hart genug, um darauf zu rennen.«
    »Kennt ihr die andere Seite von dem Grasland, da im Norden?«, fragte Dämmer.
    »Ein bisschen.«
    »Gibt es da Feliden?«
    »Ein paar, nehme ich an. Es sind viele geworden, seitdem die Saurier ausgestorben sind.«
    »Fressen sie Fleisch?«
    »Wie bitte?«, fragte Harf überrascht.
    Dämmer erzählte ihnen von Reißzahn und dem Überfall auf der Insel. Dyaus und Harf sahen sich bestürzt an.
    »Die Feliden haben uns nie behelligt.«
    Dämmer war erleichtert, als er das hörte, denn das hieß, dass sein Vater recht hatte: Reißzahn war ein Schurke, der auf eigene Faust handelte.
    »Aber wir haben Hyaenodonten gesehen«, sagte Dyaus, »große Raubtiere aus dem Osten. Vor noch gar nicht allzu langer Zeit sind sie durch das Grasland gestreift. Zum Glück scheinen sie weitergezogen zu sein.«
    »Als ob wir noch etwas bräuchten, das uns das Leben schwerer macht«, grummelte Harf griesgrämig.
    »Vielleicht verschlingen sie eure fleischfressenden Feliden«, meinte Dyaus vergnügt.
    Diese Vorstellung erfüllte Dämmer zwar mit einer gewissen Genugtuung, sie war aber trotzdem nicht sehr ermutigend. Er versuchte, für seine Kolonie ein sicheres Zuhause zu finden, und wollte nicht an noch mehr Raubtiere denken.
    »Warum interessiert dich der Norden?«, fragte Dyaus.
    Dämmer wusste nicht, ob er ihnen von den Plänen seiner Kolonie erzählen sollte. Sie wirkten freundlich und harmlos, doch er wollte kein Risiko eingehen.
    »Gibt es hier in der Gegend noch irgendwelche anderen Raubtiere?«, fragte er stattdessen.
    »Du meinst, außer den Diatrymas?«, überlegte Dyaus nachdenklich. »Weiter im Süden gibt es Sumpfsaurier. Das ist wohl die einzige Saurierart, die den Pakt überlebt hat. Aber die streichen nie weit vom Wasser entfernt herum. Sie bleiben unten, nur ihre Augäpfel schauen heraus.«
    »Und dann schnappen sie zu«, sagte Harf mit grimmigem Vergnügen. »Wenn sich ihre Kiefer geschlossen haben, kann sie niemand mehr aufstemmen. Einen von uns können die mit Leichtigkeit wegschleppen. Die würden keinen zweiten Gedanken daran verschwenden. Wir halten uns von den Sümpfen fern. Ihr habt Glück, dass ihr oben in den Bäumen lebt.«
    Eine kleine Bewegung im hohen Gras erregte Dämmers Aufmerksamkeit. Von seinem hohen Aussichtspunkt aus sah er zehn Meter entfernt einen mächtigen, gekrümmten Schnabel aus den Grasstängeln herausragen.
    »Da ist eine Diatryma!«, rief er den beiden Equiden unten zu.
    Trotz seines plumpen Körpers kam der riesige Vogel unglaublich schnell auf sie zugestürzt. Die beiden Equiden rannten los, schnell und elegant auf ihren behuften

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