Nachtflügel
genügend Zeit, um morgen zurückzufliegen und vor Einbruch der Nacht wieder bei Sylph und der Kolonie zu sein. Er hoffte, Sylph war ohne ihn nicht zu einsam. Sie war eine, die immer überleben würde. Es würde ihr schon gut gehen.
Dann kam die Nacht. Die Geräusche der Insekten hatten den Gesang der Vögel abgelöst. Ein Nebelschleier hatte sich über das Grasland gelegt, als die Welt sich in die Dunkelheit zurückzog. Dämmer kämpfte mit aufkommender Panik. Er machte sich klar, dass er weder Sonne noch Mond brauchte. Mit seinem Klang konnte er sich die Welt in Silber getaucht herbeirufen.
Im Westen lag das Meer, schwarz und mit freiem Horizont. Im Norden zeichneten sich die Berge als Silhouette vor dem sternenhellen Himmel ab. Er flog weiter und stieß Klang nach jedem Atemzug aus. In der Dunkelheit seines Kopfs blühten das Grasland und die Formationen der Insekten auf, die allmählich immer lebendiger wurden. Die Nacht war in jeder Einzelheit so klar und hell wie der Tag. Nach einiger Zeit begann er, den Flug zu genießen. Es war aufregend, aber zugleich auch seltsam beruhigend. Er fühlte sich sicher, unsichtbar. Es gab nur ihn und die Nacht.
Er war nun viel besser darin geworden, seine Echos während des Flugs aufzufangen. Zuerst war er mit ihnen zusammengestoßen und hatte nur verschwommen gesehen, doch jetzt hatte er offensichtlich seine Klangstöße mit seinem Hören und Sehen in Übereinstimmung gebracht, obwohl er keine Ahnung hatte, wie ihm das gelungen war. Es funktionierte, und das war alles, was er wollte.
Er machte eine kurze Pause auf einem Baum. Vorher hatte er sorgfältig darauf geachtet, einen unbewohnten Ast auszuwählen. Er sammelte ein paar benommene Insekten auf und leckte Wasser, das sich in der Rinde gesammelt hatte. Dann flog er schnell weiter und die Nachtluft kühlte ihn. Das Grasland stieg an, ging in die Berge über und er stieg mit ihm. Er stieg höher und höher, die Schultern nun schwer vor Müdigkeit, doch er wollte nicht anhalten, bevor er die Bäume erreicht hatte.
Er fühlte sich selbst von einer vertrauten Zielgerichtetheit weitergezogen, die er nicht verstand, das silbrige Bild des Traumbaums flackerte vor seinem inneren Auge auf. Er war ganz nah. Er war so müde, dass er nicht wusste, ob er eine weitere Vision hatte oder ob er endlich sein Ziel erreicht hatte. Seine Augen zeigten ihm nur Dunkelheit, doch als er einen neuen Klangstoß ausschickte, waren die Bäume plötzlich direkt vor ihm. Es kam ihm unglaublich vor, dass er sie tatsächlich erreicht hatte.
Er flog einmal um sie herum, zu abgekämpft, um jetzt die Umgebung zu sondieren. Er landete, nachdem er gerade so viel Klang gemurmelt hatte, dass er sicher sein konnte, dass niemand hier in der Nähe schlief. Er fand eine tiefe Auskehlung in der Rinde, drückte sich hinein und schlief sofort ein.
Doch sein Geist war noch nicht zur Ruhe bereit, und sogar als er schlief, meinte er, noch zu fliegen. Sein Mund war ausgetrocknet, sein Magen wie ausgehöhlt vor Hunger. Doch er wollte sich jetzt nicht mit Jagen aufhalten. Ein Schmerz zog sich durch seine Arme und Schultern, und er dachte, er würde jetzt vielleicht sterben. Als er hinauf in den Himmel blickte, überkam ihn ein umfassendes Wohlgefühl. Die Sterne gruppierten sich zu gewaltigen Schwingen um und hüllten ihn ein und diesmal hatte er keine Angst.
Dämmer öffnete die Augen.
Er war ganz sicher, dass sich neben ihm ein anderes Wesen befand. Der Himmel zeigte gerade die ersten Anzeichen der aufziehenden Dämmerung. Obwohl der Mond noch am Himmel stand, empfand er sich als fast unsichtbar, so tief war er in die Rinde geschmiegt. Er blickte sich um, sah aber niemanden auf seinem Ast. Er legte den Kopf zurück.
Am Ast direkt über ihm hing an den hinteren Krallen ein anderer Chiropter mit dem Kopf nach unten. Ein Weibchen, das erkannte er an ihrem Duft. Ihre Segel waren um sie geschlungen. Plötzlich fühlte er sich leer und mutlos. Vielleicht wurde dieser Baum bereits von einer anderen Kolonie beansprucht, die sich weigern würde, ihn zu teilen. Dämmer war sich nicht einmal sicher, ob er einen Gruß rufen sollte.
Der Chiropter pflegte sich. Dämmer fragte sich, warum sie am frühen Morgen schon so aktiv war. Die meisten Chiropter würden jetzt noch schlafen. Sie ließ sich vom Ast fallen und glitt zwischen den Ästen dahin.
Dann hob sie die Segel weit nach oben und fing an, rasch zu flattern.
Sie flog!
Ehe er sich zurückhalten konnte, schrie Dämmer vor
Weitere Kostenlose Bücher