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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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nicht bei seiner Kolonie war. Einsamkeit machte sich jetzt schon in ihm breit.
    »Sei vorsichtig«, sagte Sylph. »Flieg schnell.«
    Er war noch nie so lange an einem Stück geflogen, doch dieses Mal trieb er sich selber an und nach einer Weile veränderte sich etwas. Sein Herz schien einen neuen Rhythmus zu finden und sein Atem ging langsamer und tiefer. Es war immer noch anstrengend, aber er hatte das Gefühl, es durchhalten zu können.
    Er flog über dem Blätterdach des Waldes, aber tief genug, um schnell in den Bäumen Deckung suchen zu können, wenn irgendwelche Vögel ihn anzugreifen drohten. Er beobachtete auch den höheren Himmel und hoffte, dass die letzten Quetzals wirklich ausgestorben waren.
    Über dem Wald schwärmte eine beträchtliche Zahl von Insekten, doch er beachtete sie kaum. Er wollte keine Zeit oder Energie darauf verschwenden, durch Jagdzüge von seinem Kurs abzukommen. Er hielt seine Nase beständig auf die fernen Hügel gerichtet. Die gewaltigen Bäume dort schienen immer noch ungeheuer weit entfernt zu sein und einen Moment lang bekam er Angst. Wie konnte er nur so weit und so allein unterwegs sein? Aber schließlich war es gut, ein klares Ziel zu haben nach all den ungewissen Tagen tief im Wald.
    Unter ihm veränderten sich langsam die Bäume. Da waren welche, die er noch nie gesehen hatte, große, verdrehte Dinger mit einer so rauen und scharf gezackten Rinde, dass der Stamm aussah, als bestünde er aus gekrümmten, nach unten weisenden Schnäbeln. Andere Bäume hatten eine Farbe, als wären sie abgestorben und würden zersplittern, sobald man seine Krallen in sie versenkte. Ihre Blüten und Blätter verströmten einen für ihn neuartigen Duft. Als das Dach des Waldes allmählich dünner wurde, wuchsen die Büsche und Farne dichter. Schlammige Tümpel tauchten immer häufiger auf, bis schließlich kaum noch ein Fleckchen sumpfigen Landes zwischen ihnen war. Überall schossen Moorbäume in die Höhe, von denen große Moosschwaden hingen. Dämmer behielt die Bäume sorgfältig im Auge, um sicher zu sein, dass es genug gäbe, zwischen denen die Chiropter gleiten könnten.
    Etwas Langes und Grünes bewegte das Wasser, und Dämmer konnte gerade noch seinen knubbeligen Rücken und Schwanz erkennen, bevor es unter der wirbelnden Wasseroberfläche verschwand. Er schluckte und war froh, kein Grundling zu sein.
    Vor ihm wurde der Sumpf wieder zum Wald, aber nur für kurze Zeit, bevor das Grasland begann. Hier an der Grenze kreiste Dämmer um die Bäume und suchte sich vor der Landung einen sicheren Ast aus. Müde leckte er den Tau von den Blättern, und als er seinen Durst gestillt hatte, zog er sich bis an den Stamm zurück, damit sich nichts von hinten anschleichen konnte. Er blickte hinaus über das Grasland.
    Es gab zahlreiche Bäume, doch sie standen weit auseinander, und Dämmer war klar, dass die Kolonie unmöglich von einem zum anderen gleiten konnte. Sie würden dieses Grasmeer weitgehend zu Fuß überqueren müssen. Er versuchte, sich nicht entmutigen zu lassen. Das Gras war hoch und würde einige Deckung bieten. Er hatte gar nicht gewusst, dass es Gras in so vielen verschiedenen Farben und Formen gab. Die gefiederten Spitzen erglühten strahlend im Licht des späten Nachmittags und wiegten sich anmutig im leichten Wind. Eine Weile lang blickte Dämmer einfach nur vor sich hin, ganz zufrieden damit, an überhaupt nichts zu denken.
    Er musste eingeschlafen sein, vielleicht auch nur weggedämmert, denn seine Ohren waren weiter wachsam. Ein Schnauben von unten schreckte ihn auf und seine Segel zuckten. Er spähte zwischen den Zweigen hindurch nach unten und sah am Fuß des Baums ein Tier zwischen den Pflanzen herumschnüffeln. Es war mindestens zehnmal so groß wie er, ungefähr anderthalb Meter lang und hatte einen langen Schwanz. Sein raues, braunes Fell hatte schwarze Streifen. Als es seinen rundlichen Kopf aus dem Gras hob, sah Dämmer mit Erleichterung, dass es geweidet hatte, denn Blätter und Grashalme ragten beim Kauen aus seinem Maul. Seine klugen Augen waren auf Dämmer gerichtet, dann wandte es sie ohne eine Spur von Besorgnis wieder ab. Offensichtlich wusste dieses Tier alles über Chiropter, aber Dämmer wusste nichts von ihm.
    Das Tier ließ ein weiches Wiehern hören und Augenblicke später kam auf langen Beinen ein zweites vom Grasland hereingaloppiert. Sein kurzes Haar war braun und grau gescheckt und damit gut dem Unterholz angepasst.
    Dämmer staunte über ihre Füße. Sie

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