Nachtflügel
ledriges Bruchstück heraus, dann noch eines und noch eines, bis er ein großes Loch in die Seite des Eis gerissen hatte. Er spähte hindurch und sah durch die zerfetzte Eihaut den blassen und leicht zitternden Schlüpfling.
Er blickte zu Panthera hinüber, um zu sehen, wie weit sie war. Als erfahrene Jägerin hatte auch sie ein Loch in das Ei geschlitzt. Er spitzte die Ohren und drehte sie in alle Richtungen, noch einmal sah er sich um und blickte in den Himmel, ohne auch nur das geringste Anzeichen von Sauriern zu sehen. Dann wandte er sich wieder seiner Beute zu.
Der Schlüpfling war schon ziemlich weit entwickelt, kurz davor, aus dem Ei zu kommen. Reißzahn war begeistert. Wenn die Eier frisch gelegt waren, gab es kaum mehr als Dotter, doch an diesem hier würde jede Menge zartes Fleisch sein. Er stieß seine Schnauze in die Öffnung und seine klaffenden Kiefer knackten die Schale weiter auf. Mit knirschenden Zähnen fraß er sich an dem Schlüpfling voll, ohne sich die Mühe zu machen, ihn zuvor aus dem Ei zu ziehen.
In den beiden letzten Tagen hatte er außer Maden, Nüssen und Früchten fast nichts gefressen, und nun schlang er das zarte Fleisch so gierig in sich hinein, dass er fast vergaß, sich zu merken, welche Art von Saurier er da vertilgte. Patriofelis wünschte das bestimmt zu erfahren, wenn er von seinem Streifzug zurückkehrte. Ihr Anführer legte sehr großen Wert auf diese Informationen.
Reißzahn zog sich etwas zurück und warf einen Blick auf die Überreste.
Die gestreckten Armknochen des Schlüpflings sagten ihm alles, was er wissen wollte. Er hatte richtig vermutet, es waren Flieger. Quetzals, so wie es aussah.
Die knochigen Flügel, den Kamm und den Schnabel ließ er als Einziges übrig. Gesättigt leckte er die restliche Flüssigkeit von Schnauze und Pfoten. Panthera beobachtete ihn. Wie die meisten anderen Jäger auch, hatte sie die Schale zerstört und das Dotter aufgeschleckt, den Schlüpfling aber einfach sterben lassen.
»Magst du das Fleisch nicht?«, fragte er sie.
Sie schüttelte den Kopf, und indem sie zurücktrat, lud sie Reißzahn ein, sich zu bedienen. Während er fraß, fühlte er sich von ihr neugierig beobachtet, wobei ihr ungestreifter grauer Schwanz aufgeregt hin und her zuckte. Fleisch war eigentlich kein typischer Bestandteil der Nahrung der Feliden. Doch vor einigen Jahren hatte Reißzahn entdeckt, dass seine hinteren Zähne sich gut dazu eigneten, das Fleisch von den Knochen zu reißen, was nicht alle Feliden konnten, wie er nach und nach bemerkte. Er fragte sich manchmal, ob ihm das Verlangen nach Fleisch angeboren war oder ob er durch die Eier auf den Geschmack gekommen war. Wieder schaute er zu Panthera.
»Willst du nichts davon haben?«
»Nein.«
Sie beobachtete ihn fast schon vorsichtig, als drohte er, seine Reißzähne auch in sie zu schlagen.
Reißzahn blickte zum Himmel und suchte ihn nach der Sauriermutter ab. Vielleicht war sie schon tot. Mit jedem Jahr hatte er weniger Nester gefunden, viele davon aufgegeben, weil die Eltern von der Krankheit befallen worden waren, die auf ihrer Haut aufblühte. Genau wie diese Eier hier war das dann alles, was übrig blieb. Trotzdem war es besser, wenn er und Panthera schnell wieder in Deckung gingen. Die Quetzals konnten sich schnell wie der Blitz vom Himmel stürzen.
Bevor sie das Nest verließen, hob er das Hinterbein und besprühte es triumphierend mit Urin. Das war jetzt sein Revier.
»Vielleicht waren das die Allerletzten«, sagte Panthera, während sie durch das hohe Gras sprangen.
Gedankenvoll leckte sich Reißzahn die Zähne. In den Jahren hatte er eine Vorliebe für Eier entwickelt, insbesondere für solche, die zartes Fleisch enthielten. Sie würden ihm fehlen. Doch der Gedanke, dass er vielleicht für die Zerstörung des letzten Nestes verantwortlich war, gefiel ihm sehr. Von allen Jägern, die hier auf der Erde nach Beute suchten, hatte er es erschnüffelt. Das war genau die Leistung, die ihn eines Tages zum Anführer der Meute machen würde.
Die letzten Sauriereier.
Seiner Meinung nach war der Pakt erfüllt.
Kapitel 4
Der Pakt
D ämmer hörte, wie sein Vater ihn rief, blickte nach oben und sah ihn zusammen mit einem Dutzend anderer Chiropter nach unten gleiten. Bei ihnen waren auch die drei Ältesten und Sylph.
»Hier bin ich!«, schrie er. »Hier unten!«
Er kroch auf dem Ast weiter nach außen, damit sie ihn sehen konnten.
»Geh weg davon, Dämmer!«, rief Ikaron.
»Ist schon in
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