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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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bin mir sicher, dass ich das alleine schaffen kann.«
    »Und an seinem Rücken unten wimmelt es manchmal von irgendwas. Ich glaube, er hat Probleme, sich dahinten zu kämmen.«
    »Das reicht jetzt, Sylph«, sagte ihre Mutter. »Ich denke, du solltest dich jetzt mal selbst pflegen.«
    Dämmer grinste seiner Schwester durch seine verfilzten Haare an.
    »Also ihr beide«, sagte Mistral streng, »habt euch heute ziemlich blöd benommen. Ich habe viele Beschwerden bekommen, ihr hättet euch heute von einer Thermik hochtreiben lassen und wärt eine regelrechte Plage gewesen.«
    »Wer hat behauptet, dass wir eine Plage waren?«, fragte Sylph lautstark.
    »Es spielt überhaupt keine Rolle, wer das war. Chiropter reiten keine Thermik, das ist nichts für uns.«
    Dämmer sagte nichts, denn er wusste, dass er sich beim Protestieren auf Sylph verlassen konnte.
    »Also, das hat uns nie jemand gesagt!«, schrie die auch gleich.
    »Ganz ruhig, Sylph«, sagte ihre Mutter. »Das sollte doch wohl klar sein. Hast du jemals gesehen, dass das andere getan haben? Oder hat dir das etwa jemand beigebracht?«
    »Nein«, sagte Sylph. »Aber heißt das …?«
    »War das deine Idee?«, fragte ihre Mutter.
    Sylph zögerte. Dann sagte sie: »Ja.«
    Dämmer schreckte hoch und widersprach: »Das war meine Idee, Mama.«
    »Nein, meine«, schrie Sylph. »Ich hab rausbekommen, wie man eine Thermik reitet, und es Dämmer gezeigt.«
    Dämmer war verwirrt. Sylph war eine treue Schwester, aber das ging zu weit. Wollte sie ihn schützen oder ihm die Anerkennung für seine Entdeckung stehlen? Doch wie auch immer, das konnte er ihr nicht durchgehen lassen.
    Ihre Mutter blickte ihn ungehalten an. »Dämmer, stimmt das?«
    »Nein, es war meine Idee, Mama. Ich wollte den Baum nicht hochklettern, ich war müde und hab mich gefragt, ob nicht die warme Luft mich hochtragen könnte, und sie hat es getan.«
    Mistral nickte. »Das war sehr schlau von dir, Dämmer.«
    Er traute sich nicht, zu Sylph hinüberzublicken, doch er hörte sie wütend aufstöhnen und konnte sich ihren empörten Gesichtsausdruck lebhaft vorstellen.
    »Aber«, fuhr ihre Mutter schnell fort, »ich möchte nicht noch einmal erleben, dass du das machst. Wir haben Segel, damit wir gleiten können. Dafür benutzen wir sie. Und zu keinem anderen Zweck. Mach dich nicht noch andersartiger, als du schon bist, Dämmer. Andersartigkeit kann in einer Kolonie schwer bestraft werden.«
    »Wird Dämmer bestraft werden?«, meldete sich Sylph.
    »Diesmal nicht«, sagte Mistral.
    »Dämmer wird nie bestraft«, murrte Sylph.
    »Aber denkt daran, was ich gesagt habe, alle beide«, fuhr ihre Mutter fort. »Benehmt euch wie alle in der Kolonie, oder ihr riskiert, von der Kolonie gemieden zu werden.«
    Dämmer schluckte. »Mama?«, fragte er unsicher. »Warum haben sie aufgehört, Cassandra zu füttern? War es nur, weil sie anders ausgesehen hat?«
    Das Fell auf der Stirn seiner Mutter runzelte sich. Sie kam näher und drückte ihn an sich. »Nein, Dämmer, sie war sehr krank. Sie wäre nie in der Lage gewesen, zu gleiten, zu jagen und sich selbst zu ernähren. Sie hätte nicht überleben können. Es war nicht, weil sie anders aussah.«
    »Oh!«, seufzte Dämmer erleichtert. Trotzdem kam es ihm immer noch grausam vor, einfach aufzuhören, sie zu füttern.
    »Wer hat mit dir über das arme Wesen gesprochen?«, fragte seine Mutter.
    »Jib«, erzählte Sylph. »Er hat gesagt, Dämmer hätte Glück, dass er der Sohn des Anführers sei, sonst hätte man ihn aus der Kolonie verstoßen.«
    »Dieser Neugeborene sollte aufpassen, was er sagt«, knurrte ihre Mutter mit blitzenden Augen.
    »Ich hab ja gewusst, dass er nur versucht hat, mir Angst zu machen«, schnaubte Dämmer. »Ich weiß, dass so was bei uns nicht passiert.«
    Als seine Mutter darauf nichts sagte, überfiel ihn Panik. »Mama, so was passiert bei uns doch nicht, oder?«
    »Natürlich nicht, Dämmer«, sagte sie sanft. »Das hätten wir nie zugelassen.«
    »Das heißt, sie haben gewollt, aber …«
    »Das heißt, es ist nicht passiert«, sagte sie fest. »Aber jetzt lenk mal nicht vom Thema ab. Ich bin noch nicht fertig mit euch beiden. Mir ist auch gesagt worden, dass ihr über dem Oberen Holm wart. Ihr wisst, dass ihr niemals in das Revier der Vögel eindringen sollt. Macht das nie wieder. Habt ihr mich verstanden?«
    »Ja, Mama«, sagte Dämmer und ließ den Kopf hängen. »Tut mir leid.«
    »Sylph?«, fragte Mistral.
    »Entschuldigung!«, sagte Sylph

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