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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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war er auch noch ein Unglücksbringer. Obwohl er mit dem Fliegen aufgehört hatte, wollte offenbar niemand mehr etwas mit ihm zu tun haben.
    Sylph blieb seine einzige Freundin – aber was war er für ein armseliger Freund. Er sagte kaum noch etwas. Ständig musste er über Aeolus und die Vögel nachdenken. Es waren wohl etliche nötig gewesen, um ihn niederzuhalten, während sie ihm die Segel abhackten. Und noch immer konnte er sich nicht vorstellen, dass Teryx bei so etwas mitmachen würde. Aber vielleicht lag er damit auch völlig falsch. Die Vögel stammten von den Sauriern ab, hatte sein Vater gesagt. Und deshalb waren sie vielleicht auch wie die Saurier: erbitterte Jäger der anderen Tiere.
    Am dritten Tag, nachdem er mit dem Fliegen aufgehört hatte, fragte Sylph, ob er mit ihr jagen gehen wollte. Er schüttelte den Kopf.
    »Geh du schon mal vor«, sagte er.
    »Fühlst du dich nicht gut, Dämmer?«, fragte seine Mutter.
    »Mir geht’s gut, ich bin bloß nicht hungrig.«
    »Bis später dann«, sagte Sylph und machte sich eifrig auf den Weg.
    Als er gestern mit ihr gejagt hatte, hatte er beobachtet, wie sie sehnsuchtsvoll zu Jib und seiner Gruppe geblickt hatte. Wenn sie mit Dämmer zusammen war, kam niemand sonst zu ihr oder sprach mit ihr. Ihm war klar, dass sie ihre Freunde vermisste, doch sie war zu loyal, um ihn alleine zu lassen. Er wollte nicht, dass sie anfing, ihm das übel zu nehmen.
    Seine Mutter kam und schmiegte sich an ihn. »Ich weiß, dass es hart für dich ist«, sagte sie.
    Dämmer versuchte, nicht wütend zu werden, doch er war es bereits. »Ich war gut beim Fliegen.«
    »Ich weiß, aber so ist es am besten. Das wirst du noch merken.«
    »Gebrauchst du noch dein Echosehen?«, fragte er.
    »Bei Tageslicht braucht man das nicht so oft, aber ja, manchmal setze ich es ein, wenn ich klarer sehen muss.«
    »Du hast das nicht aufgeben müssen.«
    »Du auch nicht. Aber nur, weil niemand davon weiß. Mit dem Fliegen ist das etwas anderes.«
    »Ich hab es aufgegeben und trotzdem kann mich niemand leiden. Warum soll ich dann nicht fliegen?«
    »Du weißt, warum.«
    »Ich hasse die Vögel«, murmelte er.
    Sie waren es, die ihm das angetan hatten. Jedes Mal beim Gleiten stellte er sich vor, dass sie herunterschauten und selbstgefällig zwitscherten, wie sie ihn geschlagen und wie sie ihm die Flügel genommen hatten.
    »Die anderen Chiropter werden das alles bald vergessen haben«, versprach seine Mutter. »Die sind nur jetzt noch erschreckt und wütend. Sie werden dich nicht für immer meiden. Und jetzt zieh los und fang dir einen schnellen Schwärmer mit deinem blitzartigen Gleiten.«
    Dämmer kicherte. Die Nähe seiner Mutter und ihr vertrauter Geruch hatten etwas Tröstliches. Doch sein Zorn hatte sich nicht völlig gelegt. Die Wahrheit war, dass er einfach keine Lust mehr hatte zu gleiten. In der Luft empfand er sich unbeholfen und schwerfällig. Nach dem Fliegen schien das, als wäre er besiegt worden. Diese Genugtuung wollte er den Vögeln nicht geben.
    Als die ganze Kolonie auf der Jagd war, blieb er im Baum zurück. Er trottete über die vertrauten Äste und war voller Selbstmitleid. Wenn die anderen Chiropter unbedingt eine Missgeburt wollten, sollten sie auch eine Missgeburt bekommen. Er würde herumkrabbeln, Blattläuse aufsammeln und an Samen knabbern. Das würde seinen Hunger nie ganz stillen, und er würde bestimmt dünn und verschroben werden und kleine Neugeborene damit erschrecken, indem er Unsinn brabbelte.
    Es regnete leicht, und obwohl das gewaltige Blätterdach des Baums die meisten Äste trocken bleiben ließ, tropfte doch an einigen Stellen Wasser in vollkommenen runden Tropfen entlang den Nadeln und füllte kleine Spalten in der Rinde. Dämmer hielt an, um zu trinken, ehe er seinen Weg auf einem der ausladendsten Äste des Mammutbaums fortsetzte. Der erstreckte sich weit genug, um eine Brücke zum nächsten Baum zu bilden, und von da aus machte Dämmer ein Spiel daraus, nach weiteren Ästen zu suchen, die ihn noch weiter weg von dem Mammutbaum durch den Wald führen würden. Er wollte alleine sein.
    Beim Gehen stieß er auf ein paar rosa Larven der Glasflügelmotte, die sich in die Rinde bohrten, und aß sie auf. Sie waren schön süß und saftig und viel fetter als die normalen fliegenden Insekten. Vielleicht konnte er ja die Luft insgesamt aufgeben.
    Ständig war er sich der Vögel über ihm bewusst, jetzt für ihn eine bedrohliche und finstere Gesellschaft. Ihr Gesang erschien

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