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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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verlieren? Auch ich will hier nicht weg, doch ich sehe keine andere Möglichkeit.«
    »Ein anderer Baum«, schlug Barat hastig vor. »Die Feliden können nicht weit senkrecht nach oben klettern, sie sind schwerer als wir und ihre Krallen können das Gewicht nicht über längere Zeit halten. Wenn wir einen Baum finden, dessen Äste erst weit oben anfangen, kommen die Feliden nicht an uns heran.«
    »Selbst wenn wir einen solchen Baum fänden«, sagte Ikaron, »dann ist der Wald doch so dicht, dass die Feliden leicht von einem Baum daneben herüberspringen können.«
    »Wir sind auf der Insel verweichlicht worden«, sagte Nova. »Über eine lange Zeit haben wir keine Feinde gekannt. Es war ein Fehler, dass wir uns so vom Festland abgesondert haben. Hätten wir dort Kundschafter gehabt, hätten uns die Feliden nicht so überraschen können.«
    Dämmer starrte Nova an. Er hasste sie. Nach dem, was sie alle gerade erlitten hatten, wie konnte sie da jetzt mit so etwas kommen? Worauf wollte sie hinaus?
    »Aber wir haben Augen und Ohren vor der übrigen Welt verschlossen«, fuhr Nova fort, »und in fröhlicher Unwissenheit gelebt. Heute Nacht haben wir dafür bezahlt.«
    Dämmer bewegte sich unbehaglich. Nova konnte doch nichts von Teryx’ Warnung gewusst haben, doch ihre Kritik an Ikaron zielte genau darauf ab. Er sah zu Sylph, und ihm war klar, was sie denken musste. Ihr Vater hatte die Bedrohung durch die Feliden missachtet und die Kolonie ungeschützt gelassen. Dämmer wartete auf den zornigen Widerspruch seines Vaters, doch zu seiner Überraschung blieb der aus. Er fragte sich, ob ihr Vater einfach zu erschöpft und benommen war. Oder vielleicht dachte er auch, dass Nova recht hatte, und fühlte sich zu schuldig, um etwas zu bestreiten.
    »Vielleicht können wir Schläue und List wieder erlernen«, schlug Sol zögernd vor. »Wir könnten auf der Insel bleiben und uns geheime Plätze zum Leben aussuchen. Dass wir so klein sind, kann auch ein Vorteil sein. Wir könnten uns verstecken und wachsam sein. Bestimmt werden wir nicht wieder überrumpelt. Dazu haben wir heute Nacht zu teures Lehrgeld bezahlt.«
    Dämmer hörte genau hin, als sein Vater antwortete, konnte aber nicht den geringsten Funken von Schuld oder Bedauern heraushören.
    »Die Feliden werden immer im Vorteil sein, Sol. Sie sind auf den Bäumen einfach schneller als wir.«
    »Aber wir können gleiten.«
    »Sie können springen. Und vergiss nicht, wir sind nachts nahezu blind. Ihre Augen lassen mehr Licht vom Mond und von den Sternen einfallen.«
    »Aber unsere Insel aufzugeben …«, sagte Sol.
    »Nein, Ikaron hat recht.«
    Dämmer blinzelte erstaunt, denn es war Nova, die gesprochen hatte.
    »Diese Insel war für zwanzig Jahre unser sicherer Hafen, doch nun sind andere eingedrungen. Die Feliden haben ernsthaft vor, uns auszulöschen. Wir müssen fort, bevor sie ein neues Gemetzel veranstalten.«
    Zunächst sagte niemand etwas. Zweifellos war auch sein Vater von Novas Unterstützung überrascht.
    »Aber was lässt dich glauben, dass es auf dem Festland irgendwie besser ist?«, wollte Sol wissen. »Von dort sind wir schon lange weg, und die Dinge könnten sich mehr verändert haben, als wir denken.«
    »Diese Feliden sind Schurken«, erläuterte Ikaron. »Ihr Anführer Reißzahn hat mir einiges erzählt, bevor er mich und Mistral angriffen hat.« Seine Stimme schwankte, als er den Namen seiner Gefährtin aussprach, doch heiser fuhr er fort: »Sie haben sich von Patriofelis’ Meute abgespalten und sind hierher auf die Insel gekommen, um ihre Gräueltaten im Geheimen zu begehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle Feliden zu Fleischfressern geworden sind. Deshalb sind wir auf dem Festland sicherer.«
    Dämmer war todunglücklich. Die Insel, der Mammutbaum waren sein Geburtsort, wie für praktisch jeden Chiropter in der Kolonie. Alle seine Erinnerungen lebten hier, geborgen unter dem Blätterdach des Mammutbaums und flüsternd inmitten der Zweige.
    »Es wird nur vorübergehend sein«, versicherte Ikaron den Ältesten. »Auf dem Festland schicken wir Patriofelis eine Botschaft, und er dürfte dazu in der Lage sein, mit den Schuften fertig zu werden. Oder Reißzahn gibt die Insel einfach auf, wenn wir sie verlassen haben. Binnen Kurzem wird sie wieder uns gehören. Jetzt geht und teilt die Nachricht euren Familien mit.«
    »Ich möchte nicht weggehen«, flüsterte Dämmer Sylph zu.
    »Es ist die richtige Entscheidung«, antwortete sie, doch ihre Stimme klang

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