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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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zu: »Da ist ein starke Thermik, gleich hier!«
    Sie kamen auf ihn zugeglitten, er half ihnen, in die warme Luft zu steuern, und es ging ab nach oben. Und wo war jetzt sein Vater?
    Zwischen den Bäumen hervor kamen die Feliden. Einige sprangen mitten in die Lichtung und wandten die Köpfe nach oben. Andere sprangen mit einem Satz in die Bäume und kletterten hinauf.
    Dämmer sah seinen Vater und flatterte zu ihm.
    »Papa, schlüpf in die hier rein«, sagte er.
    Sein Vater versuchte es, erwischte sie aber zu schief und wurde abgeschlagen. Er kreiste und verlor schnell an Höhe. Dämmer blickte hinunter auf den Boden und sah keine zehn Meter unter sich Reißzahn, der knurrend zu ihnen hochblickte.
    Dämmer umflatterte seinen Vater und kämpfte den Drang nieder, ihm Ratschläge zu geben. Selbst jetzt würde sein Vater die nicht begrüßen.
    Wieder flog Ikaron in die Thermik und stöhnte vor Schmerz auf, als das verwundete Segel von unten angestoßen wurde. Er verlor das Gleichgewicht und kreiste noch niedriger.
    »Papa, du musst …«
    »Ich weiß!«, schnauzte sein Vater. »Ich komm schon zurecht. Geh einfach!«
    Das konnte Dämmer nicht. Er musste seinen Vater in die Luft bekommen. Die Bäume waren schon voller Feliden. Wenn sein Vater nicht bald die Thermik erwischte, würde er auf dem Boden aufschlagen. Unter ihnen richtete sich Reißzahn auf die Hinterbeine auf und sprang senkrecht nach oben. Der Felid fiel zurück, drehte sich um seine eigene Achse, hatte sie bei Weitem noch nicht erreicht, aber Dämmer war trotzdem entsetzt, wie hoch er springen konnte.
    »Ich glaube, hier drüben ist noch eine Thermik«, sagte er, doch sein Vater versuchte es halsstarrig weiter bei derselben. Er glitt hinein, richtete die Segel aus und erwischte endlich die warme Luft. Er fing an zu steigen.
    »Geschafft«, murmelte er und stöhnte beim Anstieg leise vor sich hin. Dämmer flatterte neben ihm. Hoch hinauf stiegen sie in der Lichtung und ließen die vor Wut fauchenden Feliden unter sich.
    Reißzahn starrte dem letzten zum Himmel emportreibenden Chiropter hinterher. Wie war das nur möglich? Er hatte überhaupt nicht gewusst, dass Chiropter so etwas taten. Es war unnatürlich. Er knirschte mit den Zähnen und lief voller Enttäuschung ruhelos hin und her. Dann bemerkte er, dass Miacis und die anderen ihn erwartungsvoll ansahen.
    Mit weniger als fünfzig langen Sätzen erreichte er die Küste. Über ihm neigte sich der dunkle Zug der Chiropter auf das Festland zu. Seine ganze Beute! Er rannte am Ufer entlang und suchte nach der Sandbrücke, auf der sie gestern gekommen waren. Das Glitzern der Sonne auf dem Wasser machte ihn halb blind.
    »Wo ist sie?«, brüllte er.
    »Es ist noch nicht die Zeit«, sagte Miacis neben ihm. »Nicht vor Sonnenuntergang.«
    Das wäre erst in einigen Stunden und bis dahin würden die Chiropter längst fort sein. Er wirbelte mit gefletschten Zähnen zu Miacis herum.
    »Warum hast du mir nicht früher gesagt, dass sie losgezogen sind?«
    »Dein Befehl war, ihnen zu folgen«, erwiderte Miacis mit fester Stimme. »Ich hätte nie gedacht, dass sie die Insel verlassen wollen.«
    Reißzahn war das auch nicht in den Sinn gekommen, doch er brauchte jemanden, dem er die Schuld geben konnte. Also sprang er vor und biss sie ins Ohr. Sie zuckte zusammen, mehr vor Schreck als vor Schmerz. Blut rieselte ihr langsam in das Fell.
    Reißzahn wandte sich dem Rest seiner Meute zu.
    »Wir brauchen die Chiropter nicht«, fauchte er. »Für uns gibt es noch jede Menge anderer Beute auf der Insel – auf dem Waldboden und in den Bäumen. Ich hab sie gesehen. Lassen wir die Gleiter doch gehen. Sie sind der Mühe nicht wert.«
    Dämmers Hochgefühl überlebte nicht lange. Während er und sein Vater aufstiegen, war die Luft voller Chiropter. Die meisten stiegen noch mit der Thermik auf, andere waren schon dazu übergegangen, auf das Festland zuzugleiten. Doch der riesige Schwarm Vögel, der über der Insel gewirbelt war, kam jetzt schnell auf sie zu.
    »Nicht flattern«, sagte Ikaron knapp.
    Dämmer fragte sich, ob es dafür nicht schon zu spät war. Vielleicht hatten ihn die Vögel schon auf der Lichtung flattern sehen. Doch er wollte sie auf keinen Fall weiter gegen sich aufbringen. Ängstlich sah er zu, wie sich die Vögel weit über ihm zusammenballten, aufgewühlt wie eine Sturmwolke. Die Thermik trug die Chiropter immer näher an sie heran.
    »Eierfresser!«, kam der gellende Schrei eines Vogels und wurde von den anderen

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