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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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glitt die übrige Kolonie aufgeregt herum, Köpfe wurden gezählt und Namen gerufen. Es war alles so bedrückend ähnlich wie in der letzten Nacht, als die vier Familien versuchten herauszufinden, wer noch lebte und wer tot war.
    »Wer ist verloren gegangen?«, rief Ikaron. »Barat, Sol, Nova, wer fehlt aus euren Familien?«
    »Sylph!«, schrie Dämmer. »Sylph?«
    Jede Sekunde, die er wartete, war zu lang, doch zum Glück waren es nicht so viele, bis sie auftauchte und erleichtert auf ihn zusegelte.
    »Wir haben es geschafft!«, sagte sie. »Es ging ja so einfach, wenn man erst einmal hoch genug war. Ich habe mich fast gefühlt, als würde ich fliegen. Zumindest ein bisschen«, fügte sie hinzu, und Dämmer wurde wieder klar, wie sehr er sie liebte und wie sehr er sie in der Zeit vermisst hatte, in der er so lange einsam vor sich hingeschmollt hatte.
    »Deine Idee hat funktioniert«, verkündete sein Vater und klopfte ihm mit dem Segel auf den Rücken. »Ich bin stolz auf dich.«
    »Du hast die ganze Kolonie gerettet«, sagte Sylph.
    »Fast«, sagte Sol und ließ sich neben ihnen nieder. »Drei aus meiner Familie fehlen.«
    »Das tut mir leid, Sol«, sagte Ikaron.
    »Ohne den Einfallsreichtum deines Sohns wäre es sehr viel schlimmer gekommen«, sagte Sol. »Danke, Dämmer. Das werden wir dir nicht vergessen.«
    Dämmer wusste nicht, wie er auf dieses Lob reagieren sollte, daher nickte er einfach nur stumm. Er hielt die Komplimente für nicht ganz angebracht, da Chiropter bei der Umsetzung seines Plans umgekommen waren.
    Bald glitten auch Nova und Barat heran, um zu berichten. Barat hatte zwei aus seiner Familie verloren und Nova vier. Südwind kam mit der Nachricht, dass Ikarons Familie ebenfalls zwei verloren hatte. Sie waren wie die anderen ertrunken, nachdem die Vögel sie in die Tiefe gezwungen hatten. Dämmer sah zu ihnen hinauf. Sie kreisten immer noch über der Insel. Wie hatten sie so etwas tun können? Er hasste sie, und jetzt auch Teryx. Hatte der junge Vogel überhaupt versucht, den Schwarm davon abzuhalten? Hatte er gar selbst daran teilgenommen?
    »Wir müssen weiter«, sagte Sol und starrte hinüber zu den Feliden auf dem gegenüberliegenden Ufer.
    »Ich bin auch der Meinung«, sagte Ikaron. »Weiter die Küste entlang werden wir ein vorübergehendes Heim finden und die Insel beobachten. Wenn die Feliden sie verlassen, können wir zurückkehren.«
    »Das mag einige Zeit dauern«, sagte Nova. »Es wäre wahrscheinlich am besten, uns wieder unserer alten Kolonie anzuschließen. Das Festland ist uns jetzt fremd und vieles dürfte sich verändert haben. Wir brauchen eine Unterkunft und gute Ratschläge. Das bedeutet eine Reise von drei Tagen nach Süden, länger nicht. Wir vier kennen ja den Weg zurück nach Hause.«
    »Die Insel ist unser Zuhause«, sagte Sol mit Nachdruck.
    »Ich habe es nicht besonders eilig, unsere alte Kolonie zu suchen«, sagte Ikaron. »Die vier Familien, die damals ausgezogen sind, werden wohl kaum in Vergessenheit geraten sein. Erwartest du wirklich, dass sie uns willkommen heißen?«
    Dämmer blickte auf, als ein weiblicher Chiropter dicht über sie hinwegsegelte und ihnen einen Gruß zurief. Sie war nicht von ihrer Kolonie, das erkannte er sofort. Ihr Gesicht war etwas länger und die Ohren etwas spitzer. Ihr Fell war von einem blassen Grau, und das nicht, weil sie älter war. Sein ganzes Leben lang hatte Dämmer nur Chiropter mit schwarzem, braunem oder kupferfarbenem Fell gekannt.
    »Ich suche den Anführer«, rief sie.
    Ikaron rief zurück, und sie landete anmutig neben ihm und den anderen Ältesten. Nova scheuchte Dämmer und Sylph weg, doch Dämmer zog sich nur so weit zurück, dass er noch etwas verstehen konnte.
    »Ich bin Kona«, sagte die Fremde mit einem förmlichen Nicken. »Ich bin Soldat in der Familie des Gyrokus.«
    Dämmer blickte sie fasziniert an. Einen Soldaten hatte er noch nie kennengelernt. In seiner Kolonie waren keine gebraucht worden. Kona hockte aufmerksam auf dem Ast, hielt den Kopf kerzengerade, und ihre Augen schwenkten schnell von einem der Ältesten zum nächsten, während diese sich jeweils vorstellten. Dämmer schnüffelte ganz vorsichtig. Sie hatte einen ungewöhnlichen Geruch an sich. Vielleicht rochen alle Chiropter auf dem Festland so. Aßen sie vielleicht eine andere Nahrung, oder nisteten sie in Bäumen, deren Rinde einen seltsamen Duft abgab?
    »Meine Abteilung hat die Aufgabe, die Küste zu bewachen«, erklärte Kona Ikaron.
    Dämmer

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