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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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bisschen sehnig und zäh gewesen, aber später hatte er noch einen jüngeren erwischt, dessen Fleisch erheblich süßer war. Sein Magen hatte sich an die neue Fleischnahrung gewöhnt und verkrampfte und hob sich nicht mehr nach dem Fressen.
    Er war gewachsen. Zuerst hatte er das bei Miacis und einigen anderen festgestellt; durch das Fleisch waren sie größer und stärker geworden. Er hatte es zunächst in Brust, Schultern und Nacken gespürt, genauso, wie er es gehofft hatte. Wie groß sie wohl werden würden?, fragte er sich. Würden sie eines Tages so groß sein wie die Saurier? Nein, das war zu groß. Wenn man erst einmal so riesig war, konnte man sich nicht mehr frei zwischen den Bäumen bewegen und wäre zu langsam. Er musste nur groß genug werden, um alle anderen Tiere beherrschen zu können.
    Die Insel war ideal. Die Chiropter waren ihre Gefangenen, es gab Vögel auf den Bäumen und Wurzel- und Grasfresser auf dem Waldboden. In der Morgendämmerung hatte er einen kurzen Streifzug unternommen und einen ersten Blick auf alles geworfen. Wenn sie die Insel verlassen würden, wären sie unbezwingbar.
    »Reißzahn!«
    Seine Ohren zuckten und er spähte über den Ast nach unten. Miacis kam über die Lichtung gesprungen. Er hatte sie angewiesen, die Insel zu erkunden und die Bewegungen der Chiropter im Auge zu behalten. Reißzahn wollte in der Lage sein, sie an diesem Abend problemlos aufzuspüren. Miacis sah aus, als wäre sie eine erhebliche Strecke gerannt.
    »Was ist?«, rief er ihr zu.
    »Sie haben sich in den Bäumen an der Küste versammelt«, sagte sie. »Sie schauen alle zum Festland.«
    »Schnell!«, schrie Reißzahn und sprang auf den Boden. »Ruf die Meute zusammen. Wir müssen verhindern, dass sie die Insel verlassen.«
    Hunderte von Chiroptern torkelten durch die Luft der kleinen Lichtung, während Dämmer herumflatterte und ihnen Ratschläge und Ermutigungen zuschrie.
    »Beinahe!«
    »Versuch’s noch mal!«
    »Jetzt hast du’s! Stell die Segel fest und rutsch nicht raus!«
    Es gab zahlreiche Stellen mit Thermik und sie war kräftig. Schon eine ganze Reihe von Chiroptern stieg zum Himmel auf. Dämmer war erleichtert, als er sah, dass die meisten von ihnen, vor allem die Neugeborenen, es ziemlich schnell herausbekamen. Ein paar schienen eine instinktive Abneigung gegen das Aufsteigen zu haben und scheuten vor den Aufwärtsströmungen zurück. Sie waren es gewöhnt, abzusteigen, nicht hinauf. Das kam ihnen unnatürlich vor. Sylph glitt von einer Thermik zur nächsten und gab jedem Ratschläge, der es hören wollte. Dämmer war für ihre Hilfe dankbar, denn sie konnte gut erklären – und vor allem auch lauter, als es ihm möglich gewesen wäre.
    Dämmer blickte nach oben und bemerkte erschreckt einen riesigen Schwarm Vögel über der Insel. Sie breiteten sich über den Himmel aus wie eine Art schwarzes Sternbild, dann zogen sie sich wieder zu einer bedrohlichen schwarzen Masse zusammen. Doch sie waren noch ein ganzes Stück entfernt und schienen nicht näher zu kommen.
    »Die Feliden müssen unterwegs sein«, sagte Ikaron, der an ihm vorbeiglitt. »Die Vögel sind beunruhigt.«
    Dämmer wusste, dass sie nur wenig Zeit hatten. Viele der Chiropter hatten die Bäume bereits verlassen und würden bald beginnen, zum Festland zu gleiten. Aber eine Menge hatte bisher noch keine Thermik erwischt. Das alles war seine Idee gewesen und er fühlte sich entsetzlich verantwortlich. Er entdeckte eine Gruppe von Chiroptern, die ziellos über die Lichtung glitten, eilte zu ihnen und leitete sie zur nächsten Thermik. Nicht alle wussten das zu schätzen.
    »Das war eine schlechte Idee«, maulte ein entmutigter Chiropter.
    »Das kann ich schon selbst, Neugeborener«, murrte ein alter Chiropter aus Barats Familie. »Ich brauche deine Hilfe nicht.«
    Sylph segelte immer noch herum, bot Ratschläge an und schnappte sich immer wieder einen Auftrieb, um nicht an Höhe zu verlieren. Sie war bemerkenswert entschlossen, doch Dämmer wünschte sich jetzt, sie würde einfach nur weit nach oben reiten und auf das Festland zugleiten. Inzwischen befanden sich nicht mehr viele Chiropter auf der Lichtung.
    »Da kommen sie!«
    Der Schrei kam von einem ihrer Wachposten. Mit einem Mal warfen sich alle verbliebenen Chiropter von den Bäumen und segelten auf der Suche nach einer Thermik los. Ikaron war unter ihnen.
    »Sylph! Dämmer! Wir müssen los!«
    »Geh schon!« rief Dämmer Sylph zu. »Ich hole dich ein.« Und den Wachposten rief er

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