Nachtflug Zur Hölle
rasselte. Er versuchte, alles abzublocken, was dieser Schweinehund sagte, aber sein Verstand war…
schwerfällig. Seine Neuronen funktionierten nicht im gewohnten Tempo. Wahrscheinlich hatten sie ihm irgendwelche Mittel gegeben.
Bestimmt war er während seiner Genesungszeit mit Drogen vollgepumpt worden. Er schluckte angestrengt, bemühte sich klarzusehen, und versuchte zu erkennen, welche Möglichkeiten sich ihm boten – falls es überhaupt welche gab. Aber sein Kopf arbeitete nicht richtig; er war müde und benommen…
Der andere verlor die Geduld. »Zum Teufel mit Ihnen, Luger«, sagte er mit halblauter, drohender Stimme. »Wozu sollte ich Ihnen Respekt erweisen? Sie haben mein Land angegriffen. Sie haben mein Volk überfallen, sein Eigentum vernichtet und seine Rechte verletzt«, fauchte er, während seine Miene zusehends finsterer wurde.
»Und trotzdem liegen Sie hier in einem sauberen, warmen Krankenbett und werden von Ärzten betreut, die sich sonst um Sowjetbürger kümmern würden. Das alles haben Sie nicht verdient, kapiert? Nichts davon haben Sie verdient!«
Der Mann griff nach einer zufällig auf einem Beistelltisch liegenden Verbandschere – Dave merkte nicht, wie unglaubwürdig dieser »Zufall« war – und machte sich daran, den Verband an Lugers rechtem Bein aufzuschneiden. »Diese Versorgung… diesen Verband … haben Sie nicht verdient…« Er legte das rechte Bein frei.
»Mein Gott, sehen Sie sich das an! Man hat Ihnen eine künstliche Kniescheibe eingesetzt! Ein Sowjetbürger müßte jahrelang auf diese Operation warten – wenn er das Glück hätte, sie überhaupt genehmigt zu bekommen! Und was haben Sie getan, um sich diese Vorzugsbehandlung zu verdienen? Nichts! Gar nichts!«
Lugers geschwächtes Bein zuckte heftig, als er den kalten Stahl der Schere seitlich an seinem Knie spürte. Im nächsten Augenblick bohrte sich eine scharfe Spitze unter die noch nicht gezogenen Fäden der Operationsnaht. »Verdammt noch mal, das lasse ich nicht zu!
Mir ist es egal, ob ich dafür bestraft werde, aber ein Toter braucht keine künstliche Kniescheibe!«
Luger schrie laut, als er spürte, wie der erste Stich aufgeschnitten wurde. Er versuchte, seinen Fuß freizubekommen und den Mann wegzustoßen, aber der andere hielt sein Bein fest wie ein Zimmermann einen Balken.
»Gib uns zurück, was du uns gestohlen hast, du amerikanisches Schwein!«
Lugers Bein zuckte krampfhaft gegen die breiten Gurte, mit denen es ans Bett gefesselt war.
Der Russe schnitt den zweiten Stich auf, und Luger schrie laut – nicht nur aus Schmerz, sondern weil er fürchtete, der Verrückte werde ihm das ganze Bein aufschneiden …
Diesmal wurde sein Aufschrei durch laute Stimmen von der Tür her beantwortet, als Ärzte und Krankenschwestern hereinstürmten.
Die Schere verschwand aus Lugers Blickfeld, und der Mann wurde hinausgeführt. Luger hörte ihn noch brüllen: »Sieben Tage, du Schwein! In sieben Tagen bist du tot! Sieben Tage!«
Ein Arzt war zurückgeblieben und untersuchte jetzt Lugers rechtes Bein. Zu seiner Überraschung sagte der Arzt auf englisch: »Seien Sie unbesorgt, Genosse, er hat keinen wirklichen Schaden angerichtet, ich sehe eine gewisse Infektionsgefahr, aber die Blutung steht.« Dann forderte er Luger auf, sich zurückzulehnen und die Schmerzen möglichst zu ignorieren, während sein Knie desinfiziert und neu verbunden wurde.
»Ist er… ist er verrückt?« keuchte Luger, »Will er… mich umbringen?«
Daß der Amerikaner redete, schien den Arzt nicht zu überraschen.
Er sah sich um, als wolle er sich davon überzeugen, daß die Tür geschlossen war. und sagte dann: »Er ist hier der Boß … Mehr kann ich nicht sagen.«
»Dieser Hundesohn!« murmelte Luger. »Dreckskerl.« Er zitterte am ganzen Leib. Kalter Stahl auf seiner Haut, das unheimliche Geräusch aufreißender Stiche, übers Bein laufendes warmes Blut…
»Ruhig, Genosse, ganz ruhig«, sagte der Arzt beschwichtigend.
»Ich bin hier, um zu heilen, nicht um zu schaden.« Luger merkte nicht, daß der Arzt ein ebenso präzises Englisch sprach wie der Mann, der ihn zuvor auszufragen versucht hatte. Der Arzt hielt eine Spritze mit einer wasserklaren Flüssigkeit hoch. »Die wird Ihnen helfen, sich zu entspannen.«
»Nein!« krächzte Luger. «Keine Drogen! Ich brauche keine Drogen …!«
Die Spritze wurde weggelegt. »Wie Sie wünschen, Genosse«, sagte der Arzt. »Aber Sie brauchen wirklich Ruhe. Können Sie sich etwas
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