Nachtflug Zur Hölle
– Lettland, Litauen und Estland – ein vorläufiges Flugverbot für Militär- und Zivilflüge verhängt. GUS-Truppen scheinen vor allem in Litauen aktiv zu sein, wo landesweit Tausende von Soldaten in Marsch gesetzt worden sind.
Bisher sehen wir keinen Grund für diese eindeutige Aggression in einer unabhängigen Republik, die klar gegen den Vertrag zwischen Litauen und der GUS verstößt. Über die Gründe für die Truppenbewegungen können wir nur spekulieren, aber sie erinnern stark an das Verhalten Saddam Husseins und der irakischen Armee in den Wochen vor ihrem Einmarsch in Kuweit. Dabei sind die Litauer freie, friedliebende gesetzestreue Bürger, die mit uns Amerikanern viele Ideale gemeinsam haben.
Ich möchte allen unmißverständlich klarmachen, daß die Vereinigten Staaten zu handeln bereit sind – erst mit diplomatischen Mitteln, dann mit Wirtschaftssanktionen und nötigenfalls zuletzt auch mit militärischer Gewalt.
In Übereinstimmung mit unserer bisherigen Politik in dieser Angelegenheit habe ich Außenminister Danahall heute angewiesen, im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine dringende Resolution einzubringen, die unter UNO-Aufsicht den sofortigen, bedingungslosen und vollständigen Abzug aller ausländischen Truppen aus dem Baltikum fordert. Die Vereinigten Staaten sind bereit, dabei sofort Hilfestellung zu leisten. Unserer Überzeugung nach können alle damit zusammenhängenden Fragen friedlich geregelt werden.«
Nun wurde der Präsident mit Fragen bestürmt. Da seine Berater und er noch keinen brauchbaren Aktionsplan ausgearbeitet hatten, wollte er an sich keine Fragen beantworten. Aber er wußte, daß er den Journalisten nicht so leicht entkommen würde. Manchmal wünschte er sich, das Rednerpult wäre mit einem Airbag ausgestattet – gegen Frontalzusammenstöße mit der Presse. Meistens kamen ihm die Reporter wie Gestalten aus einem Clint-Eastwood-Film vor: manche gut, manche böse, die meisten bloß häßlich. Er blinzelte seinem Pressesprecher zu, der die Befragung nach fünf Minuten unterbrechen würde.
»Mr. President«, begann der CNN-Reporter, »Ihrer Ansicht nach läßt diese Krise sich friedlich beilegen, aber Weißrußland behauptet, die Vereinigten Staaten planten als Vergeltung für den Überfall in Wilna ein Militärunternehmen in Litauen. Trifft das zu?«
»Äh… ich fordere die weißrussische Regierung auf, die Hintergründe des Überfalls vor dem Atomreaktor Denerokin genau untersuchen zu lassen«, sagte der Präsident. »Und natürlich die Hintergründe des Todes von Senator Vertunin. Bisher sind aus Weißrußland nur sehr unbefriedigende Äußerungen und unbestimmte Drohungen zu hören gewesen. Wir haben nicht die Absicht, dort militärisch einzugreifen. Aber wir müssen möglicherweise handeln, wenn die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten sich nicht an den Ermittlungen beteiligt und weiter darauf besteht, den litauischen Luftraum für Verkehrsflugzeuge zu sperren.«
»Mr. President«, fragte der NBC-Reporter, »Sie vergleichen den weißrussischen Präsidenten Swetlow anscheinend mit Saddam Hussein. Betrachten Sie Swetlow und Weißrußland als Gefahr für den Frieden in Europa? Was erwarten Sie unter diesen Umständen von Swetlow – und sind Sie bereit, Krieg zu führen, um ihn daran zu hindern, seine Pläne zu verwirklichen?«
»Tut mir leid, aber Ihre Fragen sind zu spekulativ«, wehrte der Präsident ab. »Ich wiederhole: Die amerikanische Regierung und das amerikanische Volk weisen jeden Versuch einer ausländischen Macht zurück, ein friedliebendes, demokratisch regiertes Volk zu unterdrücken. Niemand will intervenieren, aber der gegenwärtige Stand der Dinge läßt kaum eine andere Möglichkeit offen.«
»Sie wären also bereit, Krieg gegen Weißrußland oder die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten zu führen?« fragte der ABC-Reporter.
Der Präsident spürte Schweißperlen auf Stirn und Oberlippe und tupfte sie rasch mit seinem Taschentuch ab. Er nahm sich vor, seinen Pressesprecher anzuweisen, die verdammte Klimaanlage bei solchen Ereignissen bis zum Anschlag aufzudrehen.
»Ich will keinen Krieg. Den will keiner«, sagte der Präsident schließlich. »Aber, äh, wir überdenken natürlich alle sich bietenden Optionen. Und Krieg steht auf dieser Liste weit – ganz weit – unten.«
Die Medienleute bestürmten ihn weiter mit Fragen. Der Präsident suchte die Gesichter unter den erhobenen Händen ab und deutete dann auf den Reporter der Washington
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