Nachtflug Zur Hölle
ziviles Bergungsschiff war, das in fremden Hoheitsgewässern jederzeit von anderen Kriegsmarinen durchsucht werden konnte, solange sie nicht im Auftrag der U.S.
Navy unterwegs war, konnte sie keine gewöhnliche Nachrichtenzentrale an Bord haben, weil kein GUS-Mitglied oder bündnisfreier Staat sie damit in ihren Gewässern geduldet hätte. Aber White hatte ein System entwickelt, das auch dieses Problem löste. Die speziellen Frachtcontainer der Mistress konnten wie jeder andere Container verschifft oder auf See mit dem Schwergutladebaum der Mistress an Bord anderer Schiffe abgesetzt werden. Jeder dieser Mission-Specific Cargo Container – kurz MISCOs – war völlig autark, hatte sämtliche benötigten Untersysteme eingebaut und funktionierte, sobald er ans elektrische Bordnetz angeschlossen war.
Die sechs MISCOs der Valley Mistress standen auf dem Achterdeck festgezurrt, wo der Schwergutladebaum sie abgesetzt hatte. Drei davon gehörten dem Wartungspersonal des Kipprotorflugzeugs CV-22, einer diente als Munitions- und Waffenlager für die CV-22 und den Stoßtrupp, und zwei bildeten die Kommandozentrale, die über alle geheimen Radar-, Fernmelde- und Aufklärungsmittel verfügte, die man brauchte, um Einsätze leiten und Verbindung zum Special Operations Command der Luftwaffe in Florida halten zu können. Für den Fall, daß die Valley Mistress überraschend geentert oder angegriffen wurde, ließen sich die sechs MISCOs rasch über Bord kippen, während eingebaute Spreng- und Brandsätze dafür sorgten, daß das belastende Material weitgehend vernichtet wurde.
Die CV-22 PAVE HAMMER war das neueste Flugzeug im Arsenal des Special Operations Command. Dieses ungewöhnliche Kipprotorflugzeug konnte wie ein Hubschrauber senkrecht starten und landen, aber dann bei doppelter Reichweite, Geschwindigkeit und Nutzlast eines Hubschraubers wie ein herkömmliches Flugzeug mit Propellerturbinen fliegen. Außer drei Mann Besatzung – Pilot, Copilot und Flugingenieur/Lademeister – beförderte es bis zu acht Soldaten mit voller Ausrüstung und war mit einer Hughes Chain Gun, einer 20-mm-Maschinenkanone, in einem eigenen Waffenbehälter und zwölf Jagdraketen Stinger in einem weiteren Behälter bewaffnet; beide Waffenbehälter konnten mit dem Helmvisier des Piloten oder Copiloten synchronisiert werden. Mit angeklappten Flügeln war die CV-22 PAVE HAMMER nur noch 17,7 mal 5,5 mal 5,5 Meter groß und paßte damit genau in die DSRV-Kammer der Valley Mistress.
Einen Namen gemacht hatten sich Kipprotorflugzeuge des Musters V-22 bei der im Aufbau befindlichen U.S. Border Security Force, den »Hammerheads«, die zur Überwachung der amerikanischen Grenzen und Bekämpfung des Drogenschmuggels 60 dieser Hybridflugzeuge erhalten sollten. In dieser Bewilligung versteckt waren sechs weitere Maschinen, die General Bradley Elliotts High Technology Aerospace Weapons Center (HAWC) in Nevada im Auftrag der U.S. Air Force umgebaut und ans Special Operations Command ausgeliefert hatte. Dies sollte einer der ersten wirklichen Einsätze dieser CV-22 sein …
… falls er nicht abgeblasen wurde.
Im kalten, beengten Inneren des zweiten Containers, in dem die Kommandozentrale untergebracht war, betrachtete Paul White ein auf die digitalisierte Lagekarte übertragenes Radarbild. Die Karte des Zielgebiets – etwa 15 Kilometer nördlich der Hafenstadt Libau, die ihrerseits nur wenige Kilometer nördlich der Grenze zu Litauen an der lettischen Ostseeküste lag – zeigte zahlreiche Flugzeuge, die dieses Gebiet überflogen. »Welches betrifft uns speziell?« erkundigte sich White.
»PATRIOT hat den hier gemeldet«, antwortete ein Nachrichtenoffizier. Er deutete auf einen fast ortsfesten Lichtpunkt knapp nördlich der Stadt – ziemlich weit von den anderen Maschinen entfernt, die weiter östlich kreisten. »Dort drüben haben wir den Flughafen Libau-Ost, den die baltische Flotte der GUS zur Versorgung ihrer Patrouillenboote mitbenutzt. Das bedeutet regen Hubschrauberverkehr. In Wainoden – etwa dreißig Seemeilen ostsüdöstlich von Libau – befindet sich ein GUS-Jägerstützpunkt. Stationiert sind dort hauptsächlich ältere MiG-19 und MiG-21 Tagjäger, aber manchmal auch ein paar MiG-29, Außerdem sind dort Jagdbomber Su-25 und Kampfhubschrauber gesichtet worden. Ich vermute, daß beide Muster jetzt dort stationiert sind.«
White nickte ungeduldig, denn er war über die Stationierung von GUS-Truppen in den baltischen Staaten recht gut informiert.
Weitere Kostenlose Bücher