Nachtflug Zur Hölle
blieb im Hubschraubermodus, koppelte die Rotoren manuell mit dem linken Triebwerk, das jetzt beide antrieb, und konnte das rechte Triebwerk gerade noch stillegen, bevor es wegen Ölmangels fraß.
Auf dem Flachdach bauten vier Marines zwei MGs auf, um Gegenangriffe abwehren zu können, während Hauptmann Snyder und sein Kompanieoffizier Funkverbindung mit der US-Botschaft und der in der Nähe kreisenden zweiten MV-22 aufnahmen. Die übrigen elf Marines legten den Aufzug vom Dach aus still, sprengten die Tür zum Treppenhaus auf und stürmten die Treppe hinunter.
Heimlichkeit und Geschwindigkeit waren entscheidend, deshalb wurden keine großen Sprengladungen verwendet. Auf jedem Treppenabsatz genügte ein Feuerstoß aus einer MP5 mit Schalldämpfer, um die Deckenlampen erlöschen zu lassen. Binnen sechzig Sekunden kontrollierten die Marines das Treppenhaus bis hinunter zum Erdgeschoß. Während drei von ihnen die Treppe bewachten, standen vor den Stahltüren aller vier Geschosse je zwei Mann bereit, um die Etagen auf ein Funksignal hin zu stürmen.
Da diese Brandschutztüren zu den Korridoren abgeschlossen waren, machten die Marines es sich einfach: je zwei Granaten aus der Trommel des Granatwerfers Hydra sprengten mannsgroße Löcher in die Stahltüren und Breschen ins Mauerwerk, ließen die meisten Lichter ausgehen und erzeugten genug Lärm, Rauch und Trümmer, um die wenigen noch verbliebenen OMON-Soldaten und KGB-Offiziere in die Flucht zu jagen. Sobald die batteriebetriebene Notbeleuchtung zerschossen war, konnten die Marines mit ihren Nachtsichtbrillen bei völliger Dunkelheit operieren.
Ihr wahres Ziel war der dritte Stock, der auf den ersten Blick an eine Etage irgendeines Moskauer Wohnblocks erinnerte. Bei näherer Betrachtung zeigte sich jedoch, daß nur ein Zweizimmerapartment als Wohnung gedient hatte – die übrigen Räume enthielten Abhöranlagen und medizinische Einrichtungen. Das Apartment bestand aus einem kleinen Wohnzimmer mit Kochnische und Eßecke sowie einem noch kleineren Schlafzimmer mit Sanitärzelle. Es entsprach ganz einer Wohnung in einem staatlich geförderten Wohnblock: klein und spärlich möbliert, beengt, aber trotzdem einigermaßen gemütlich.
Die Wohnung war leer. Sie stand offenbar schon seit einiger Zeit leer.
»Hammer Three, hier Suchkommando« meldete der Teamführer sich über Funk. »Zielgebiet leer. Suchen weiter.« Die Zielperson befand sich nicht dort, wo sie nach Geheimdienstinformationen sein sollte. Obwohl das normal war, weil Fehlinformationen immer wieder vorkamen, bedeutete es zusätzliche Gefahren, weil jetzt das gesamte Gebäude – auch die beiden Kellergeschosse – durchsucht werden mußten.
Auf erbitterten Widerstand stießen die Marines nur im ersten Stock, wo sich die Waffenkammer befand. Im Vorraum hatten sich mehrere Soldaten der OMON-Wachmannschaft verschanzt, um sie gegen die Eindringlinge zu verteidigen. Sie begannen zu schießen, sobald die Granaten der Marines Löcher in Türen und Mauern sprengten. Ein Amerikaner brach beim Sprung durch eine Bresche zusammen, als eine Garbe eines schweren MGs seine Kevlarweste durchschlug, und wurde von einem Kameraden in Sicherheit gezogen, während die anderen Marines ihnen Feuerschutz gaben.
Die Marines konnten es sich nicht leisten, durch eine lange Schießerei kostbare Zeit zu vergeuden. Tempo und Überraschung waren ihr einzigen Verbündeten; büßten sie diese Vorteile ein, war der Kampf gegen den zahlenmäßig weit überlegenen Gegner so gut wie verloren.
Die Entscheidung, wie in diesem Stockwerk vorgegangen werden sollte, war schon vor mehreren Tagen gefallen. Falls Luger hier gefangengehalten wurde, würde er sterben. Das ließ sich nicht ändern, denn die Waffenkammer mußte ohne Rücksicht auf Verluste augenblicklich besetzt und neutralisiert werden.
Die Marines schossen mehrere Tränengasgranaten in den Raum und ließen eine Salve aus sechs Splittergranaten folgen, bevor zwei Mann in den Vorraum eindrangen. Der feindliche Widerstand schien gebrochen zu sein, aber als sie sich der Tür der Waffenkammer näherten, tauchte plötzlich noch ein OMON-Soldat hinter der Ausgabetheke auf. Aus dieser Nähe konnte er sie nicht verfehlen: Die beiden Marines gingen verwundet zu Boden, bevor ihre Kameraden auch den letzten Überlebenden erschossen.
Dann standen sie vor der Sicherheitstür der Waffenkammer, die zum Glück unversperrt war – ihr Sprengstoff hätte nicht ausgereicht, um eine massive Stahltür
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