Nachtflug Zur Hölle
McLanahan verlor den Boden unter den Füßen. Er klammerte sich krampfhaft ans Seil, schwang über die Laderampe hinaus und konnte sie nicht sofort wieder erreichen.
Die MV-2 ließ das Flachdach hinter sich zurück und nahm weitersteigend Fahrt auf, um einen plötzlichen Angriff abzuwehren.
»Patrick!« rief John Ormack. Er war zu Boden gegangen und wurde von einem Marine auf allen vieren zu den Sitzen gezogen. Der Mann am zweiten Seil an der Laderampe war nirgends zu sehen – McLanahan wurde entsetzt klar, daß er bei den jähen Bewegungen der SEA HAMMER aus der Maschine gefallen sein mußte. Das brachte ihn dazu, sein Tau noch fester zu umklammern.
Der an seiner Sicherheitsleine hängende Absetzer trat mit kleinen Schritten an den Rand der Laderampe. Er bückte sich und zeigte mehrmals auf seine Knöchel. McLanahan begriff sofort, klemmte sich das dicke Seil im Kletterschluß zwischen die Füße und konnte so Arme und Hände etwas entlasten…
Aus dem Hangarbereich rechts unter ihnen stieg plötzlich ein gelbe Leuchtspur auf. Die MV-22 kurvte steil nach links weg, aber die Leuchtspur war zu schnell und traf ihre rechte Triebwerksgondel.
Das Triebwerk explodierte in einem Feuerball, überschüttete McLanahan mit Metallsplittern und schien mit weißglühenden Flammenzungen nach ihm zu greifen. Eine von der Schulter abgeschossene Fla-Rakete, vermutlich eine sowjetische SA-7 oder SA-11, hatte das rechte Triebwerk getroffen.
Sie mußten notlanden.
Die MV-22 kurvte nach links ein. McLanahan, der sich weiter verzweifelt ans Seil klammerte, wußte kaum mehr, wo oben und unten war. Als die SEA HAMMER den Bug hochnahm, wurde er seitlich gegen die Heckrampe geschleudert. Und als der Flugzeugbug plötzlich wieder nach unten sackte, konnte McLanahan sich nicht länger halten.
McLanahan ließ das Seil los und flog davon wie eine Flocke im Schneesturm.
Im Sicherheitstrakt des Fisikus-Instituts Die Detonationen der zeitgleichen Vorstöße der Marines aus dem Treppenhaus hätten Wadim Teresow, der ins zweite Kellergeschoß unterwegs war, fast von den Beinen gerissen. Der Teufel soll sie holen! fluchte er. Von der Decke fielen Betonbrocken und Isolierplatten auf ihn herab; das Licht flackerte und ging dann ganz aus.
Der Major fand sich auf einem Treppenabsatz wieder, wo er an der Wand lehnte und versuchte, sein Schädelbrummen zu ignorieren.
Über der letzten Tür unter ihm flammte eine trübe Notleuchte auf.
Teresow blieb noch einen Augenblick stehen, bis er wieder einigermaßen klar denken konnte, umklammerte dann seine Pistole und machte sich auf den Weg zur einzigen beleuchteten Tür des zweiten Kellergeschosses.
Teresow blickte durchs vergitterte Türfenster. Der Platz des Wachpostens war leer, die Brandschutztür abgeschlossen. Er sperrte sie rasch mit seinem Generalschlüssel auf, knallte sie hinter sich zu und sperrte sie erneut ab. Der Keller des Sicherheitstrakts bildete ein Labyrinth aus Heizungsrohren, Kesselanlagen, undichten Leitungen und Geräuschen aller Art. Hier unten gab es nur wenige Notleuchten, deshalb nahm Teresow die eine aus ihrer Halterung über der Tür und benutzte sie als Taschenlampe, um Lugers Zelle zu finden.
Nach dem Raketentreffer im rechten Triebwerk hatte der Pilot der MV-22 SEA HAMMER aus alter Gewohnheit den Bug hochgenommen und zu steigen versucht. Diesen Fehler hätte er beinahe nicht überlebt: Macht die Maschine plötzlich kaum noch Fahrt, zieht man nicht nach oben, was noch mehr Fahrt kostet, sondern drückt nach unten um Fahrt aufzuholen. Als er den Fehler erkannte, ging er sofort in den Sinkflug und trat das rechte Ruderpedal, um die Drehung nach links zu kompensieren. Auch wenn er alles richtig machte, entstand bei Geschwindigkeiten unter 60 Knoten keine Autorotation – etwas mehr Fahrt aber würde bedeuten, daß die Notlandung der MV-22 in normaler Fluglage stattfand. Durch die Explosion waren für den Augenblick alle Instrumente ausgefallen. Der Pilot konnte seinen Fahrtmesser nicht ablesen, aber er wußte auch so, daß ihre Fahrt nicht reichte. Also wurde es Zeit für eine Checkliste, die der Copilot und er auswendig kannten: »Feuerlösch-T-Griffe-ziehen!« rief er laut. Zu den restlichen Punkten dieser Liste kamen sie nicht mehr, weil die MV-22 in diesem Augenblick aufschlug.
Aber der Pilot hatte erreicht, was er hatte erreichen wollen. Bei der ersten Bodenberührung machte die Maschine noch so viel Fahrt, daß der Pilot den Bug heben und dadurch verhindern konnte,
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