Nachtflug Zur Hölle
hat?«
»Genau«, bestätigte McLanahan. Im nächsten Augenblick gab der MiG-Pilot einen kurzen Feuerstoß aus der linken Maschinenkanone ab. Dann blinkte sein Signalscheinwerfer: einmal, Pause, zweimal, Pause, einmal, Pause, zuletzt noch fünfmal. »Eins-zwo-eins-fünf.
Wir sollen auf die internationale Notfrequenz umschalten.«
»Vielleicht können wir uns irgendwie rausreden«, schlug Ormack vor. »Vor dem Kerl wegfliegen können wir jedenfalls nicht.« Er schaltete auf die Notfrequenz 121,5 Megahertz um und drückte seine Sprechtaste. »Achtung, Jäger MiG-29, hier Tuman«, sagte er auf englisch. »Wir befinden uns auf einem genehmigten Flug durch litauischen Luftraum. Teilen Sie uns Ihre Absichten mit. Kommen.«
Die Lautsprecherstimme antwortete auf russisch. »Er ist aus Weißrußland«, übersetzte Luger. »Er sagt, daß er Befehl hat, uns abzuschießen, wenn wir seine Anweisungen nicht ausführen. Er fordert uns auf, in dreitausend Meter Höhe Kurs eins-fünf-null zu halten und unser Fahrwerk auszufahren. Er wird uns verfolgen.
Führen wir seine Anweisungen nicht aus, schießt er uns ab.«
Die MiG-29 wackelte einmal mit den Flügeln und kippte nach rechts ab.
»Uns bleibt nichts anderes übrig, fürchte ich«, sagte Ormack. »Wir können ihn nicht sehen und uns ohnehin kaum in der Luft halten.
Wie denkt ihr darüber, Jungs?«
»Ich finde, wir sollten’s wenigstens versuchen«, antwortete Luger.
»Wir gehen tiefer und bemühen uns, ihn im Tiefflug abzuschütteln.
Schießt er auf uns, steigt ihr aus. Dann kriegen sie den Bomber nicht – und wenigstens ihr könnt euch in Sicherheit bringen.«
»Aber du nicht«, stellte McLanahan fest. »Kommt nicht in Frage, Dave. Wir gehen tiefer und …«
Ein gleißend heller Lichtblitz, dem eine gewaltige Explosion folgte, erhellte das Cockpit. Luger und McLanahan blickten nach rechts und sahen einen Feuerball zur Erde stürzen. »Das ist der Jäger!« meldete Patrick. »Er ist explodiert! Wie konnte das …?«
»Der Grund fliegt hier drüben«, antwortete Ormack. »Seht mal nach links!«
Sekunden später erschien links neben ihnen ein riesenhaftes Objekt, das sich etwas vor die Fi-170 setzte und sie mit fünfzig Meter Überhöhung begleitete. Die gewaltige dunkle Maschine war so nah und flog mit soviel Leistung, daß der angeschlagene sowjetische Stealth-Bomber vibrierte.
»Mein Gott… ich kann’s nicht glauben!« rief Luger aus. Das Ungetüm, das sie in enger Formation begleitete, war eine amerikanische EB-52 Megafortress. Sie hatte die ahnungslose MiG-29 überrascht und von hinten mit einer Jagdrakete mit Infrarotsuchkopf abgeschossen. Im nächsten Augenblick tauchte rechts eine zweite EB-52 auf, die sie dann ebenfalls begleitete. »Gleich zwei davon!
Unsere Old Dog ist also nachgebaut worden?«
»Genau«, bestätigte Ormack zufrieden. »Aber ich hätte nie gedacht, daß ich noch mal eine sehen würde.«
Ohne daß sie etwas davon ahnten, wurden sie außerdem von zwei weiteren in großer Höhe fliegenden EB-52 begleitet, als sie den litauischen Luftraum verließen. Um nicht entdeckt zu werden, wahrten sie Funkstille, anstatt sich laut über diese unerwartete Begleitung zu freuen. Wenige Minuten später befand sich die Dreiergruppe über der Ostsee in Sicherheit und nahm Kurs auf Norwegen.
Ausweichflugplatz Kurenez, Weißrußland
14. April, 03.04 Uhr
Der weißrussische Sergeant hastete zu seinem Einheitsführer, grüßte und übergab ihm ein soeben eingegangenes Fernschreiben. Edlin Kramko, Hauptmann der Raketentruppen, las es wortlos, dann studierte er den Text ein zweites Mal. Der Sergeant hätte schwören können, daß sein Vorgesetzter unter Stahlhelm und Tarnbemalung leichenblaß geworden war. »Hauptmann…?«
»Das ist unser Alarmbefehl«, sagte Kramko. »Alle Raketen sollen binnen zehn Minuten startbereit sein. Gleichzeitig wurde uns ein neues Ziel zugewiesen.«
Kramko zeigte den Befehl seinem Sergeanten, der erschrocken die Augen aufriß, als er das neue Ziel sah. »Das muß ein Irrtum sein, Hauptmann! Die beiden ersten Ziele – Wilna und Jonawa in Litauen – sind gleichgeblieben, aber dieses dritte muß ein Irrtum sein. Mat-497
schulische? Das ist ein GUS-Luftwaffenstützpunkt in Minsk! Wir müssen…«
»Ich lasse mir den Befehl nochmals bestätigen«, beruhigte ihn Kramko, »aber er paßt zu Meldungen über Luftangriffe und Kommandounternehmen überall in der Heimat. Diese Stützpunkte können von den Russen oder GUS-Truppen besetzt
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