Nachtflug Zur Hölle
diesen Augenblick hatte White einen litauischen Willkommensgruß einstudiert. »Labas vakaras. Ich freue mich. Sie zu sehen.
Willkommen in Amerika!« Zu den Marines, die RAGANU umringten, sagte der Oberst: »Gut gemacht. Jungs! Bringt ihn rein, damit er was zu essen kriegt.«
Während die Marines Leutnant Litwy aus der CV-22 begleiteten, sprach White mit Lobato, der ihm die Aktentasche des jungen Offiziers übergab. »Auftrag ausgeführt, Sir. Wir haben die Tasche gründlich untersucht. Clean. Sie enthält eine Serie ziemlich guter Fotos. Schon deretwegen hat sich der Ausflug gelohnt, glaube ich.«
»Phantastisch!« sagte White zufrieden. »Ich lasse sie sofort kopieren und ans Hauptquartier übermitteln. Dann nehmen Sie die Originale in einer Kassette mit Selbstzerstörungsmechanismus nach Norwegen mit. Gut gemacht, Lobato. Sprechen Sie Ihren Leuten meine Anerkennung aus.«
Die Treibstoffschläuche wurden eingerollt, und der Stoßtrupp ging wieder an Bord des Flugzeugs, während White den zweiten MISCO betrat und den dort wartenden Technikern die Aktentasche übergab.
Die CV-22 durfte nicht an Bord der Valley Mistress bleiben, die sich schnellstens in ein Bergungsschiff zurückverwandeln mußte. Das Flugzeug würde die Marines, die Fotos und Leutnant Litwy so schnell wie möglich zur amerikanischen Botschaft in Oslo bringen, damit der Litauer politisches Asyl beantragen konnte. So würde der Fall Litwy eine weitere Erfolgsstory der US-Geheimdienste werden.
Bevor die CV-22 jedoch starten konnte, mußten die Fotos, die unter solchen Risiken aus dem besetzten Litauen herausgebracht worden waren, kopiert und in die Vereinigten Staaten übermittelt werden. Dafür war mehr erforderlich als ein simples »Bild-vom-Bild«-Verfahren, denn zu viele Unternehmen waren schon durch nachlässigen Umgang mit sichergestellten Fotos ruiniert worden.
White, der entschlossen war, diesen häufigen Fehler zu vermeiden, hatte den zweiten MISCO so ausgelegt, daß Fotos dort rasch und sicher kopiert werden konnten, ohne daß dabei Schäden auftraten oder irgendein unbekannter Zerstörungsprozeß ausgelöst wurde.
Litwys Aufnahmen wurden einzeln mit verschiedenen Methoden untersucht, von denen die Sicht- und Tastprüfung die wichtigste war.
Viele Fotos waren mit Chemikalien beschichtet, die hochgiftig waren oder das Bild zerstörten, wenn es zu häufig angefaßt oder mit Blitzlicht aufgenommen wurde. Hier handelte es sich jedoch offenbar um gewöhnliche Schwarzweißfotos mit matter Oberfläche in den Formaten 13x18 und 18x24 Zentimeter, die ein Amateur aufgenommen, entwickelt und vergrößert zu haben schien.
Whites Techniker nahmen die Bilder einzeln mit hochauflösenden Kameras und Videokameras auf, ohne dabei Scheinwerfer oder gar Blitzleuchten zu verwenden; dann wurden die Aufnahmen fotokopiert und zuletzt mit einem Computerscanner abgetastet. Die digitalisierten Bilder wurden über Satellit ans U.S. Special Operations Command in Florida und das Auswertungszentrum der National Security Agency in Virginia übermittelt. White wartete ungeduldig, während die Daten an einen Fernmeldesatelliten gingen, von dort an einen weiteren Satelliten übermittelt wurden und zuletzt in der NASA-Bodenstation in Fort Belvoir, Virginia, empfangen wurden.
Wenige Augenblicke später, als eben das letzte Foto übertragen wurde, betrat Major Carl Knowlton den Container. »PATRIOT meldet mehrere Hubschrauber vor Libau, vierzig Seemeilen vor der Küste, im Anflug auf uns«, berichtete Knowlton. »Geschätzte Ankunftszeit in zwanzig Minuten. Sie fliegen sehr tief – und bisher ohne Radar. «
»Wir sind hier fertig«, sagte White, steckte die Originalfotos in wasserdichte Hüllen und übergab sie dem Techniker, der sie in einem Spezialbehälter verpacken würde. »In zwanzig Minuten ist LADYBUG schon halb in Oslo. Was tut das Gagarin-Radarschiff?«
»Es ist auch hierher unterwegs«, meldete Knowlton. »In spätestens fünfundvierzig Minuten hat es uns im Radar.«
»Falls die Rußkis in Wainoden, Riga oder Kaliningrad Jäger starten lassen, sitzen Fell und die anderen schön in der Scheiße«, stellte White nüchtern fest. Er inspizierte den mit einem Selbstzerstörungsmechanismus ausgestatteten Behälter, aktivierte das Zahlenschloß und stellte den Zündmechanismus scharf. Versuchte jetzt ein Unbefugter, das Schloß zu öffnen oder den Behälter aufzuschneiden, zerstörte ein für alle Umstehenden lebensgefährlicher Brandsatz die Fotos. »Am besten
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