Nachtflug Zur Hölle
Stoßtrupp retten konnten, Die CV-22 flog in weniger als 600 Fuß Höhe über den dunklen Wellen der Ostsee – viel tiefer war nicht möglich, denn der Nordwind hatte stark aufgefrischt, und Turbulenzen drohten, sie jeden Augenblick ins Meer zu schleudern. Zwölf Meter von ihnen befand sich in gleicher Höhe der Spezialtanker MC-130H COMBAT TALON. Aus einem Behälter in der rechten Flügelspitze hatte der riesige dunkelgestrichene Transporter eines seiner drei Luftbetankungssysteme – ein Schlauch mit einem beleuchteten Einmetertrichter am Ende – ausgefahren, und Fell hatte seine Tanksonde in diesen Trichter gesteckt.
Jetzt übernahmen sie 750 Liter Treibstoff in der Minute. Der beleuchtete Trichterrand war das einzige Licht, das die beiden Flugzeuge zeigten – in pechschwarzer Nacht, weniger als drei Spannweiten über dem Meer, mit über 5 Kilometern in der Minute dahinrasend…
Hank Fells Hände hielten das Steuerhorn eisern umklammert, während er sich bemühte, das Flugzeug unter Kontrolle zu halten.
Obwohl er wußte, daß die MC-130H vor ihm herflog, konnte er sie erst aus sechs, sieben Metern Entfernung erkennen – unmittelbar vor einem Zusammenstoß –, so daß die Sonde immer wieder aus dem Trichter glitt und dann wieder mühsam eingeführt werden mußte. Fell hatte die Triebwerksgondeln seiner CV-22 in 30-Grad-Stellung gebracht, um auch bei höchster Vorwärtsgeschwindigkeit jederzeit wegsteigen zu können. Die COMBAT TALON war für die Luftbetankung von Hubschraubern bei niedrigen Geschwindigkeiten ausgelegt, aber in dieser geringen Höhe und bei solchen Turbulenzen konnte eine plötzliche Windscherung den über 65 000 Kilogramm schweren Tanker ohne Vorwarnung ins Meer stürzen lassen.
Wie um seine Befürchtungen zu unterstreichen, sackte das Heck der MC-130H plötzlich weg, als rolle der Tanker bei schwerem Seegang. Fell spürte, wie der Schraubenstahl der vier riesigen Propellerturbinen seine CV-22 erzittern ließ, und hörte, wie der andere Pilot die Leistung erhöhte. Der Tankschlauch hing zunächst durch, schoß dann mit der COMBAT TALON hoch und wurde von der Sonde abgerissen, Der gepolsterte und mit Segeltuch überzogene Schlauchtrichter knallte heftig an die Windschutzscheibe des Kipprotorflugzeugs. Aber der Pilot der MC-130H nahm sofort Leistung weg und versuchte, wieder in Position zu gelangen.
Fell erhöhte den Anstellwinkel der Rotoren, um die CV-22 im Hubschraubermodus sinken lassen zu können, »Scheiße! Kein Übergabesignal mehr!« meldete Brown. Watanabe schaltete ihre Positionslichter rasch viermal nacheinander ein und aus, und der Trichter vor ihnen verschwand, als der Pilot der MC-130H wieder die Leistung erhöhte und sicherheitshalber 100 Fuß höher ging. »Wieviel haben wir, Marty?« fragte Fell.
»Wir haben gut zweieinhalbtausend Liter übernommen«, antwortete Watanabe. »Das macht insgesamt fünftausend.«
»Reicht das?«
»Knapp«, sagte sein Copilot, »aber zu schaffen. Hin. zurück und mit fünfhundert Litern auf der Mistress landen. Oslo kommt nur in Frage, wenn wir auf dem Rückflug bei der MC-130 tanken könnten – und das ist unwahrscheinlich, weil ihr bis dahin der Treibstoff knapp wird.«
»Okay, dann gib das Zeichen ›Betankung einstellen‹«, wies Fell ihn an. »Wir müssen mit dem auskommen, was wir haben.« Watanabe signalisierte der Besatzung der MC-130H ihre Absicht mit sechsmaligem Blinken ihrer Lichter – Blitz-Blitz, Pause, Blitz-Blitz, Pause, Blitz-Blitz –, und die schemenhaften Umrisse von COMBAT TALON verschwanden.
Sie flogen wieder nach Osten – zurück ins Zielgebiet östlich von Libau. Die Lage hatte sich sehr schnell verändert. PATRIOT gebrauchte keine russischen Codewörter mehr, um die CV-22 vor feindlichen Flugzeugen zu warnen, sondern benutzte die abhörsichere Have-Quick-Frequenz mit Scrambler, um LADYBUG solche Informationen direkt zu übermitteln. Brown hatte ihr INEWS (Integrated Electronic Warfare System) auf Automatik umgeschaltet, so daß es jetzt alle Funk-, Radar- und Lasersignale störte, die es mitbekam. Darüber hinaus modulierte das INEWS die Wärmeabstrahlung der CV-22, »störte« somit ihre eigene Infrarotsignatur und bot dadurch einen gewissen Schutz gegen Jagdraketen mit IR-Zielsuchkopf.
Als sie wenig später die litauische Küste überflogen, sprach ihr Radarwarner erstmals an. Das Überwachungsradar in Libau-Ost erfaßte die CV-22 voll, als sie ihre Höchsthöhe – 300 Fuß – erreichte, weil Fell sie
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