Nachtflug Zur Hölle
Atomsprengköpfen und eine Flotte strategischer Bomber aus.«
»›Ein leerer Sack steht nicht leicht aufrecht‹«, zitierte Dwornikow mit der ihm eigenen Lässigkeit. »Benjamin Franklin. Manchmal braucht eine Nation etwas so Schreckliches wie das Militär, um aufrecht dastehen zu können. Auch in Ihrem Land gibt es Obdachlose, Miss Greenfield – und trotzdem haben auch Sie Bomber und Atomsprengköpfe.«
Er machte eine Pause und lächelte wissend. »Sie haben sogar ein neues Flugzeug entwickelt, das wie ein Hubschrauber starten und landen kann, aber wie ein gewöhnliches Flugzeug fliegt. Ihr Kongreß und Ihr Verteidigungsminister behaupten, die Erprobung würde eingestellt, aber Sie haben Dutzende von Maschinen für die Luftwaffe, für die Küstenwache, und für das Marine Corps gebaut. Da fragt man sich: Für wen denn noch?«
Greenfield war sichtlich überrascht, was ihm sehr gefiel.
»Wie ich erfahren habe, wird diese Maschine von Ihrer neuen Border Security Force eingesetzt«, fuhr er fort, »aber es gibt weitere Verwendungsmöglichkeiten für das Wunderflugzeug. Zubringerdienste, Verkehrsüberwachung, Versorgung von Bohrinseln – die Möglichkeiten sind endlos.« Er machte eine Pause, um sicherzugehen, daß sie aufmerksam zuhörte, bevor er mit einem Lächeln fortfuhr: »Ich möchte wetten, daß man eine oder zwei dieser Maschinen an Bord eines alten Frachters irgendwo auf der Ostsee stationieren könnte. Man könnte damit dann sogar nach Libau fliegen und dort landen, um einen Spion und eine Gruppe Marines abzuholen…«
Sharon Greenfield hoffte, daß sie nicht allzu blaß geworden war.
Die Sowjetunion war längst Geschichte, und in Moskau herrschten schlimme Zustände, aber das alte KGB-Spitzelnetz war weiter intakt, Und Dwornikow machte es sich meisterhaft zunutze.
»Ich weiß leider nicht, wovon Sie reden, Boris Grigorjewitsch«, behauptete Greenfield, »Aber das wäre sicher Stoff für ein gutes Buch. Vielleicht bietet ein amerikanischer Verleger Ihnen einen Vertrag an, und Sie können Romanautor werden. Sie wissen schon – wie John Le Carré.«
»Eine glänzende Idee, Sharon Greenfield.« Dann verschwand sein Lächeln, und er schickte den Korporal mit einem knappen Befehl hinaus. Greenfield nutzte diese Gelegenheit, um sich davon zu überzeugen, daß die beiden anschließenden Räume leer waren. Dwornikow hinderte sie nicht daran, weil er im umgekehrten Fall ebenso gehandelt hätte.
»Lassen Sie mich Ihnen helfen, Kapitel zwei Ihres Buchs zu schreiben«, sagte Greenfield schließlich. »Sie haben diesen Russen erfunden, der von amerikanischen Marines entführt worden ist…«
»Einen GUS-Offizier litauischer Abstammung – einen Leutnant«, stellte Dwornikow richtig. »Und er ist auch nicht entführt worden, sondern freiwillig mitgekommen. Offenbar hat er monatelang für die Amerikaner spioniert und war dicht davor, geschnappt zu werden.«
»Solche Einzelheiten können Sie später in Ihr Buch einarbeiten, Boris Grigorjewitsch«, wehrte Greenfield ab, der seine Detailkenntnisse über das Unternehmen RAGANU Sorgen machten, »Schreiben wir lieber Kapitel zwei weiter. Stellen wir uns mal vor. dieser GUS-Offizier hätte seinen Auftraggebern verschiedene interessante Geschichten erzählt – zum Beispiel von einem US-Offizier, der seit Jahren in einer ganz bestimmten GUS-Forschungseinrichtung gefan-
gengehalten wird. Die Amerikaner könnten diesen Offizier zurückhaben wollen.«
Der Russe bekam vor Staunen große Augen.
Nach langjährigem Umgang mit Sowjet- und GUS-Agenten, Bürokraten und Funktionären konnte Sharon Greenfield beurteilen, ob jemand tatsächlich erstaunt war oder nur Überraschung heuchelte – die CIA-Ausbildung umfaßt auch Kurse in Körpersprache –, und Dwornikow war wirklich sprachlos. »Was halten Sie davon, Boris Grigorjewitsch?«
»Ich glaube«, antwortete er langsam, »Sie sind eine bessere Schriftstellerin als ich.«
Greenfield konnte nur vermuten, was Dwornikow jetzt dachte. Sie besaß Informationen, die er nicht hatte. Das bedeutete, daß die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten und die russische Regierung – Dwornikow hatte dorthin und zu allen Ministerien glänzende Verbindungen – sehr wahrscheinlich auch nichts davon wußten.
Das bedeutete aber auch, daß keine dieser Stellen für REDTAIL HAWK, wie der Codename für den US-Offizier im Fisikus-Institut jetzt lautete, zuständig war. Wer auch immer REDTAIL HAWK in seiner Gewalt hatte, hielt ihn heimlich
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