Nachtflug Zur Hölle
weißrussischen General hinüber und riet ihm mit Verschwörermiene: »Besetzen Sie Litauen und das Gebiet Kaliningrad. Sofort!«
»Was?« fragte Woschtschanka verdattert. Das alte Schlachtroß schien ehrlich verwirrt zu sein. »In Litauen einmarschieren…?
Kaliningrad besetzen …?«
Wiktor Gabowitsch nickte. »Kommen Sie, spielen Sie nicht den Erstaunten! Sie wissen genau, daß das die einzige Lösung ist. Weißrußland braucht einen Zugang zur Ostsee – und dazu die Bahn- und Straßenverbindungen. Ganz abgesehen von einer Pufferzone zwischen Ihnen und den Russen. Es gibt nur eine Lösung: die Besetzung Litauens.«
Woschtschanka äußerte sich nicht dazu, aber er dachte offensichtlich angestrengt nach.
Gabowitsch fuhr fort. »Was ist Ihre größte Sorge? Wie Sie gegen die GUS-Armee bestehen können? Sie besitzen Hunderte von Trägersystemen für nukleare Gefechtsköpfe – von Flugzeugen über Geschütze bis zu Raketen. Außerdem haben Sie mehrere Dutzend Sprengköpfe, die Sie den Russen nicht zurückgegeben haben.«
Der Weißrusse kniff die Augen zusammen und schien widersprechen zu wollen, aber Gabowitsch winkte ab.
»Ich weiß, daß Sie die haben, Genosse. Ihren Protest können Sie sich also sparen. Aber was Sie nicht haben, sind die Kenntnisse, die man braucht, um diese Sprengköpfe programmieren und scharfstellen zu können. Nun, meine Auftraggeber im Fisikus haben diese Kenntnisse – sie dürften viele Ihrer taktischen Gefechtsköpfe konstruiert und gebaut haben. Und sie waren in der Lage, aus Ihrer Armee eine der stärksten und modernsten der Welt zu machen.«
Woschtschanka starrte Gabowitsch an, als frage er sich, ob er einen Erlöser oder den Teufel selbst vor sich habe. Während er das alles zu enträtseln versuchte, ließ er sich langsam in seinen Sessel zurücksinken. »Ihr Vorschlag ist absurd, General Gabowitsch«, sagte er schließlich. »Wie kommen Sie darauf, daß ich Sie nicht dem GUS-Oberkommando melden werde?«
»Weil ich ihre letzte Hoffnung auf ein Selbstbestimmungsrecht für Belarus verkörpere«, antwortete Gabowitsch. »Melden Sie mich, behaupte ich einfach, dieses Gespräch habe nie stattgefunden – ich traue mir genug politische Macht zu, um Ihre Vorwürfe zu entkräften. Sie hätten sich dann nur einen mächtigen Feind geschaffen.«
Der General musterte den ehemaligen KGB-Offizier, als begutachte er diesen Mann, der so mit Drohungen um sich warf. Vermutlich fragte er sich, ob Gabowitsch tatsächlich imstande sei, gegen einen GUS-General zu siegen. »Was ist, wenn Ihre Beziehungen Sie nicht retten?« fragte Woschtschanka. »Die Gemeinschaft könnte mich anweisen, Sie festzunehmen und das Fisikus-Institut zu besetzen. Dann hätte ich seine Technologie ohnehin.«
»Meine Auftraggeber würden es vorziehen, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, General«, antwortete Gabowitsch, »aber sie kämen natürlich auch ohne Sie zurecht. Wollten Sie versuchen, das Fisikus zu besetzen, würden meine Sicherheitskräfte sie lange genug aufhalten, bis alle Einrichtungen vernichtet wären, Glauben Sie mir, wir können eine ganze Armee abwehren – auch ohne Kernwaffen.«
»Ein paar Wissenschaftler in einem kleinen Forschungszentrum ohne militärische Unterstützung? Wie lange würden Sie Ihrer Meinung nach durchhalten?«
»Meine OMON-Truppe besteht aus handverlesenen Männern mit Sonderausbildung, General«, antwortete Gabowitsch. »Wir sind dafür ausgebildet, dieses ganze Land gegen gutorganisierte Freischärler zu halten.«
»Wobei Sie offenbar versagt haben«, stellte Woschtschanka ironisch fest.
»Schon möglich. Aber jetzt kontrollieren wir das Fisikus. Jetzt kontrollieren wir die im Fisikus entwickelten Waffen- und Verteidigungssysteme. Wir können uns mit Leichtigkeit lange genug halten, um alle Einrichtungen zu zerstören und selbst zu entkommen. Nachdem Ihre Truppen bei dem Versuch, das Fisikus zu nehmen, Tausende von Mann verloren hätten, würden sie lediglich ausgebrannte und verminte Ruinen vorfinden. Sollten wir in Gefahr geraten, durch ein Kommandounternehmen oder einen Luftangriff überwältigt zu werden, würde ein auf Ihr Hauptquartier in Minsk abgeschossener Marschflugkörper mit Atomgefechtskopf unser aller Tod rächen. Wo werden Sie sich aufhalten, wenn der Kampf beginnt, General?«
Woschtschanka ballte die Fäuste und hatte sichtlich Mühe, seinen Zorn zu beherrschen. »Wie können Sie es wagen, meinem Land zu drohen? Wie soll ich Ihnen noch trauen, nachdem Sie mir damit
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